Ketten der Liebe
und keine Verwirrung, und es hat auch nie welche gegeben. Hakam ist mein Erbe. Wenn ich Hakams Mutter verstoße, wird es einige geben, die überzeugt sind, daß das der erste Schritt zur Absetzung meines ältesten Sohnes ist.
Ich werde nichts sagen können, was sie vom Gegenteil überzeugt. Parteien werden sich um meine anderen Söhne bilden. Wie Ihr wohl wißt, sind vier von ihnen alt genug, um als Thronfolger in Frage zu kommen. Macht ist die größte Verführerin von allen, Hasdai.
Gold, Siege im Krieg, schöne Frauen - alles verblaßt vor dem Schreckgespenst der unumschränkten Macht. Mein Vater wurde von seinem Bruder umgebracht, der die Entscheidung meines Großvaters über die Thronfolge nicht hinnehmen konnte. Ich kann mich noch nicht einmal an meinen Vater erinnern, aber mein Großvater wählte mich statt seiner Söhne aus, um eines Tages seinen Platz einzunehmen. Dann lebte er so lange, bis ich alt genug war, um die Zügel von al-Andalus fest zu ergreifen. Ich habe dieses Land jetzt über dreißig Jahre regiert, und die meiste Zeit haben wir in Frieden gelebt. Frieden fördert Wohlstand. Al-Andalus ist heute das mächtigste und wohlhabendste Land der Welt. Und so soll es bleiben, mein Freund, denn ich werde es nicht gestatten, daß es Unstimmigkeiten gibt, die sich meinem Einfluß entziehen. Leider kann ich den Krieg in meinem Harem nicht so kontrollieren, daß er nicht nach außen dringt. Zahra hat zweimal versucht, meine geliebte Zaynab umzubringen. Um weitere Attentate zu vermeiden, muß ich entweder Zahra loswerden oder Zaynab zu ihrem Schutz und dem des Kindes wegschicken. Ich habe in der Angelegenheit keine andere Wahl.«
»Werdet ihr sie freilassen, Herr?« fragte der Arzt. Es gefiel ihm gar nicht, wie Abd-al Rahman im Moment aussah. Der Kalif war blaß, und seine Haut glänzte vor Schweiß. Die Situation belastete ihn offensichtlich sehr.
»Ich kann sie nicht freilassen, Hasdai«, sagte der Kalif. »Selbst wenn der Islam es Frauen gestattet, ihren eigenen Besitz zu haben, ist eine Frau ohne den Schutz eines Mannes oder einer Familie hilflos jeder Gefahr ausgesetzt. Nein, Hasdai, ich werde sie nicht freilassen. Ich gebe sie Euch. Ihr habt keine Frau, die es stören könnte, und ich werde sehr großzügig sein. Sie wird ihr eigenes Haus am Fluß außerhalb von Cordoba haben, ihre Diener und Einkommen, von dem sie leben kann, und unser Kind, doch von diesem Augenblick an gehört sie Euch, Hasdai ibn Shaprut.«
Der Arzt war höchst erstaunt. Er konnte nicht ganz glauben, was ihm der Kalif da sagte. »Ihr werdet sie natürlich besuchen«, wagte er zu äußern.
Abd-al Rahman schüttelte den Kopf. »Wenn sie Madinat al-Zahra verlassen hat, werde ich sie nie wiedersehen. Sie wird mir nicht länger gehören.«
Hasdai wußte nicht, wo ihm der Kopf stand, als er begriff, was der Kalif sagte. »Was geschieht mit der kleinen Prinzessin?«
Das Gesicht des Kalifen zuckte schmerzhaft. »Natürlich will ich meine Tochter von Zeit zu Zeit sehen«, meinte er. Dann taumelte er.
»Setzt Euch, Herr«, sagte der Arzt, ergriff das Handgelenk des Kalifen und fühlte seinen Puls. Er war schnell und unregelmäßig. Der Arzt faßte in seine Robe und holte eine kleine, vergoldete Pille hervor.
»Legt das unter Eure Zunge, Herr. Es wird gegen den Schmerz in Eurer Brust helfen.«
Abd-al Rahman fragte nicht, woher Hasdai ibn Shaprut wußte, daß ihm die Brust weh tat. Er nahm einfach die Pille und folgte seinen Anweisungen, bis sich der Schmerz schließlich legte. »Wie soll ich es ihr beibringen, Hasdai? Wie soll ich dem Mädchen, das ich liebe, sagen, daß ich sie nie wiedersehen werde?« Seine tiefblauen Augen waren feucht.
»Laßt sie uns heute noch aus dem Hof der grünen Säulen fortbringen, Herr«, sagte der Arzt ruhig.
»Wir werden ihr nichts sagen, außer daß es zu ihrer Sicherheit geschieht. In ein paar Tagen, wenn es ihr und Sheila wieder besser geht, werdet ihr sie besuchen und es ihr sagen, aber nicht heute. Ihr braucht etwas Zeit, um wieder zu Kräften zu kommen.«
Der Kalif nickte langsam. »Keiner darf wissen, wo sie ist, Hasdai. Es wird Zahra reichen, daß sie weg ist. Ich werde selbst mit ihr reden. Ihr werdet Zaynab doch gut behandeln?«
»Herr, ich werde sie hoch achten«, erwiderte er.
»Achtet sie, wenn Ihr möchtet, Hasdai, aber Ihr müßt sie auch lieben«, sagte Abd-al Rahman. »Sie braucht viel Liebe, und sie wird Euch viel Vergnügen bereiten, mein Freund.«
Zur Verwunderung des
Weitere Kostenlose Bücher