Ketten der Liebe
Tage, je nachdem, wie der Wind ist«, antwortete Gunnar. »Bist du nicht neugierig, was ich mit dir vorhabe, Regan? Fürchtest du dich denn gar nicht?«
Sie blickte ihn mit ihren aquamarinfarbenen Augen an. »Würde meine Neugier mein Schicksal ändern, Gunnar Bloodaxe? Und warum sollte ich angst vor dir haben? Offensichtlich hast du nicht die Absicht, mich zu töten. Ich bin nicht freiwillig nach St. Maire gekommen. Ich wollte keine Nonne werden. Was Ihr mit mir vorhabt, kann auch nicht schlimmer sein als das, was zuvor mit mir geschehen sollte.«
»Ich habe noch nie eine Frau getroffen, die logisch denken kann«, sagte er bewundernd. »Du bist kein Opfer dummer Gefühle, Regan, und das ist gut. Nun, ich werde dir sagen, was ich mit dir vorhabe. Ich werde dich in Dublin an einen Sklavenhändler verkaufen, der sich Donal Righ nennt. Du bist sehr schön, und Donal Righ handelt nur mit den besten Sklaven. Frauen wie du lassen sich im Land der Mauren besonders gut verkaufen. Letztlich wirst du ein viel ruhmreicheres Leben führen als deine Schwester, denn du wirst einem reichen Mann gehören. Wenn du ihm Söhne schenkst, ist dein Glück gemacht.« Regan nickte. »Das ist ein weit besseres Schicksal, als ich glaubte, ertragen zu müssen«, sagte sie ihm.
Sie akzeptierte alles so ruhig. Gunnar hakte nach. »Gibt es keinen, der zurückbleibt, den du liebst, Regan?« Was war mit ihrem Liebhaber, dem Mann ihrer Schwester, fragte er sich.
»Es gibt keinen«, antwortete sie, und als sie die Frage in seinen Augen sah, erklärte sie ihm, wie es mit Ian Ferguson stand. »Meine Jungfernschaft wurde geopfert, um Gruoch zu schützen und die Rache meiner Mutter an den Fergusons zu sichern«, faßte sie zusammen. »Das war alles.« »Du hast nie einen Mann geliebt?« fragte er sie. »Ich habe noch nie irgend jemanden geliebt, außer vielleicht Gruoch«, erzählte sie ihm aufrichtig. »Ich bin mir nicht einmal sicher, daß ich verstehe, was das Wort wirklich bedeutet. Was ist Liebe? Die Liebe meiner Mutter zu meinem Vater hat sich in reine Rachsucht verwandelt. Wie ist sie davor gewesen? Ihre Liebe zu Gruoch war gleichermaßen falsch. Gruoch war nie mehr für sie als ein Mittel ihrer Rache. Sie hat meine Schwester verwöhnt und beschwatzt, damit sie glaubte, was sie glauben sollte. Ich selbst war unserer Mutter gleichgültig. Nur am Ende, als ich ihr nützlich sein konnte, sagte sie etwas Nettes zu mir. Auf ihrem Totenbett. Bis zu diesem Augenblick behandelte sie mich, als ob ich keinerlei Wert besäße. Sie hat mich nie selbst gestillt oder meine Wunden verbunden, als ich ein kleines Kind war. Gruoch war alles, was ich hatte, und das auch nur dann, wenn sie unserer Mutter gerade lästig war. Liebe? Ich weiß nicht, was dieses Wort bedeutet oder ob es sie überhaupt gibt, Gunnar Bloodaxe.«
Nun verstand er, warum sie nicht geschrien hatte, als er sie vergewaltigt hatte. Sie war wie die Eisjungfer aus der Legende. Fast beneidete er den Mann, der eines Tages ihren Geist, ihre Leidenschaft und ihre Liebe zum Leben erwecken würde. Trotz allem war sie vollkommen. Sie war klug und würde lernen, sich zu fügen, aber kein Mann würde sie je zerbrechen. Es gab keine andere wie sie.
Seine Männer stiegen den Hügel hinab. Sie trieben eine kleine Gruppe weinender Frauen vor sich her.
Als sie den Strand erreicht hatten, schoben die Männer das Schiff vom Sand in das niedrige Wasser hinein, wobei einige an Bord kletterten. Eine nach der anderen wurden die Frauen in das Boot gehoben und unter einem Leinendach zusammengetrieben, wo man ihnen befahl, sich auf das Deck zu setzen.
Die restlichen Seemänner kamen an Bord, das Segel wurde gesetzt, und das Schiff entfernte sich vom Land. Fast im gleichen Augenblick stimmten die Frauen ein lautes Heulen an. Einige rauften sich sogar die Haare.
»Warum weint ihr?« wollte Regan von dem jungen Mädchen neben ihr wissen. Sie war ein dürres Wesen mit einem sommersprossigen Gesicht und großen, braunen Augen.
»Wieso, Herrin«, schluchzte das Mädchen, das gleich erkannte, daß Regan eine Adelige war, »wir müssen jetzt unsere Heimat für immer verlassen.«
»Was hattet ihr denn hier, das so wunderbar war, daß ihr euch davon nicht trennen könnt?« fragte Regan.
»Sie wollen uns als Sklavinnen verkaufen, Herrin eine Frau.
»Und wart ihr denn für diejenigen, die euch großzogen, und für die, die euch zu Mutter Eubh nach St.
Maire schick' ten, jemals mehr als Sklavinnen?« fragte sie sie.
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