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Kettenreaktion - Die Geschichte der Atombombe

Kettenreaktion - Die Geschichte der Atombombe

Titel: Kettenreaktion - Die Geschichte der Atombombe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Mania
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Schumacher. Es stellt sich heraus, dass sie gern singt, und ihr neuer Kavalier lässt es sich nicht nehmen, sie am Klavier zu begleiten. Zwei Wochen später sind sie bereits verlobt. Die Hochzeit findet am 29. April 1937 in Berlin statt.
    Zurückgekehrt von der Hochzeitsreise, wird ihm der Sommer allerdings gründlich verdorben. Die Nachfolge Sommerfelds ist noch immer nicht entschieden, und die Verfechter der «Deutschen Physik» haben gerade schweres Geschütz gegen Heisenberg aufgefahren. Es soll ihn vom ersten Platz auf der Wunschliste der Münchner Universität schießen. Wieder ist es Johannes Stark, der zum Angriff auf Heisenberg bläst. In der SS-Wochenzeitschrift «Das Schwarze Korps» nennt er ihn einen «weißen Juden». Heisenberg gehöre zu den «Gesinnungsjuden … den Statthaltern des Judentums im deutschen Geistesleben, die ebenso verschwinden müssen wie die Juden selbst» [Sta:6]. In der Hitlerdiktatur mit ihrer auf Vernichtung hinauslaufenden Judenpolitik wird aus diesem Angriff eines fanatischen Antisemiten ein ernstzunehmender Rufmord und eine existenzielle Bedrohung. Werner Heisenberg beschimpft er als «Bazillenträger» des jüdischen Geistes. Damit bauscht er ihn zum Staatsfeind auf und gibt ihn unverblümt zum Abschuss frei.
    Überall im Land formulieren jetzt auch Heisenbergs Kollegen Protestbriefe gegen die Denunzierung des derzeit wohl bedeutendsten deutschen Physikers. Der Angegriffene selbst wendet sich direkt an den Reichsführer-SS und Chef der deutschen Polizei, Heinrich Himmler. Auch von ihm verlangt er entweder eine «Wiederherstellung meiner Ehre» oder die Bestätigung, dass Himmler persönlich den Angriff auf ihn im SS-Blatt billige und ihn für ein subversives Element und einen Staatsfeind halte. Bei der Kontaktaufnahme mit Himmler kommt Heisenberg der Umstand zu Hilfe, dass sein Großvater Nikolaus Wecklein und Himmlers Vater als Münchner Gymnasialprofessoren Kollegen und Vereinskameraden im selben Wanderclub waren. Über diese Beziehung hatte Werners Mutter Heinrichs Mutter kennengelernt. Deshalb versucht sie jetzt zu vermitteln. Vor dem blumengeschmückten Kruzifix in der gutbürgerlichen Stube von Anna Maria Himmler trifft Botschafterin Annie Heisenberg offenbar auch den richtigen Ton: «Ach wissen Sie, Frau Himmler, wir Mütter verstehen ja nichts von der Politik weder von Ihrem Sohn noch von meinem Sohn, aber wir wissen, dass wir für unsere Buben sorgen müssen. Und darum bin ich bei Ihnen» [Bey:218]. So gelangt Heisenbergs Brief dank mütterlicher Diplomatie direkt in die Hand des SS-Führers, der eine langwierige Untersuchung einleitet. Von Heisenberg selbst verlangt er eine Stellungnahme zu Starks Vorwürfen. SS-Offiziere verhören ihn mehrfach und bestätigen schließlich dem «apolitischen Gelehrten» einen «anständigen Charakter».
    Himmlers persönlicher Entlastungsbrief trifft am 21. Juli 1938 bei Heisenberg ein – ein Jahr nach den Schmähungen im «Schwarzen Korps». Der Reichsführer-SS missbilligt den Angriff Starks auf Heisenberg und sichert ihm zu, dass keine weiteren Anfeindungen mehr folgen werden. Im Gegenzug verlangt er von ihm, in seinen Vorlesungen die Namen jüdischer Wissenschaftler nicht mehr zu nennen, wenngleich er die Inhalte «jüdischer Physik» sehr wohl vermitteln dürfe. In welcher Gefahr sich der politisch unerfahrene Heisenberg tatsächlich befunden hat, geht aus einer internen Mitteilung Himmlers an seinen ranghöchsten Spitzel, Reinhard Heydrich, hervor: «Ich glaube, dass … wir es uns nicht leisten können, diesen Mann, der verhältnismäßig jung ist und Nachwuchs heranbringen kann, zu verlieren oder tot zu machen» [Gou:116]. Eine Woche nach der Besiegelung des Pakts mit Himmler steckt Heisenberg in einer Wehrmachtsuniform, um in Sonthofen die jährliche achtwöchige Reservistenübung zu absolvieren.
    Zur gleichen Zeit geht eine Anweisung des Reichsministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung an den Generaldirektor der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, der das Schreiben an Otto Hahn weiterleitet. Darin heißt es: «Frau Professor Lise Meitner, bisher österreichische Staatsangehörige, ist … am Kaiser-Wilhelm-Institut für Chemie tätig. Nachdem die Genannte durch den Anschluss Österreichs deutsche Staatsangehörige geworden ist, muss geprüft werden, welchen jüdischen Blutanteil sie besitzt. Nach den bisherigen Feststellungen soll Frau Meitner 25 v. H. jüdisches Blut haben» [Sim 1 :269]. Das Ministerium

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