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Ketzer

Ketzer

Titel: Ketzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Parris
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widerstrebend mit ihm allein.
    »Jerome, tu ihm nichts zuleide. Er ist freundlich zu mir gewesen.«
    »Daran hege ich keinen Zweifel«, entgegnete Jerome mit steinernem Gesicht.
    Ich ließ mich unbeholfen auf den Rand des Loches sinken, da es mir mit meinen gefesselten Händen schwerfiel, das Gleichgewicht zu halten, und warf einen letzten Blick auf Sophias
aschfahles Gesicht, ehe ich nach den tiefen Furchen in der hölzernen Schwelle tastete, um mich daran festzukrallen. Dann rutschte ich unbeholfen durch das Loch. Jerome half mit einem Stoß nach, der bewirkte, dass ich mit meiner verletzten Schulter hart auf dem Ziegelfußboden des Gewölbes unter mir aufschlug. Er nahm eine der Kerzen von der Wand und folgte mir mit katzenhafter Geschmeidigkeit, dabei schützte er die Kerzenflamme mit seiner rechten Hand. Über seine Schulter hatte er sich einen Strick und ein Stück Tuch geworfen.
    Im flackernden Kerzenschein stellte ich fest, dass wir uns in einem überraschend geräumigen Hohlraum befanden, der dort in den Winkel der Mauer eingebaut zu sein schien, wo der Ostflügel des Hauses an den Ostturm des Torhauses grenzte. Er war hoch genug, dass ein Mann darin stehen konnte. In einer Nische am Ende standen eine Holzbank und darunter eine mit Eisenbändern beschlagene kleine Truhe. Ich presste mich mit dem Rücken gegen die Wand und zog mich auf die Füße. Jerome stellte die Kerze auf den Boden und deutete auf die Bank. Ich humpelte darauf zu und setzte mich. Obwohl ich für die kurze Ruhepause dankbar war, spürte ich schon, wie meine alte Angst, auf engstem Raum eingeschlossen zu sein, wieder hochkam. Meine Atemzüge wurden rascher und flacher, und ich wusste, dass ich, wenn Jerome die Falltür schloss und mich hier unten allein ließ, bald ganz vergessen würde, wie man normal atmete. Jerome musterte mich mit einem Ausdruck, der, wie ich hoffte, auf Mitgefühl schließen ließ, und drehte den Strick zwischen den Händen, als überlege er, wie er nun weiter vorgehen sollte.
    »Es gefällt Euch hier nicht«, bemerkte er, da ihm nicht entging, wie meine Nasenflügel vor der Anstrengung bebten, Ruhe zu bewahren. »Ich lasse mich auch nicht gerne einschließen, aber ich musste es schon mehrfach ertragen. Einmal habe ich während eines Überfalls vier Stunden hier drinnen verbracht.« Er erschauerte bei der Erinnerung.
    »Ich nehme an, man erträgt vieles, wenn die Alternative ein aufgeschlitzter Bauch ist.«

    Jerome bestätigte dies mit einem schwachen Lächeln, dann kauerte er sich vor mich und sah mich ernst an.
    »Was habt Ihr mit den Briefen gemacht, Bruno? Ich muss es wissen. Und wem habt Ihr noch von mir erzählt?«
    »Die Briefe befinden sich in meiner Kammer, das habe ich Euch doch schon gesagt. Und was Euch betrifft, ich bin erst heute Nacht hinter Eure wahre Identität gekommen und habe seither mit niemandem mehr gesprochen.«
    »Und ich behaupte, Ihr lügt.« Jerome erhob sich ungeduldig. »Aber das macht nichts, Jenkes wird die Wahrheit schon aus Euch herausbringen. Er ist in dieser grausigen Kunst so bewandert wie die Schergen der Königin. Wusstet Ihr, dass er in seiner Jugend ein Söldner war? Es gibt nicht viel, was er nicht über Schmerzen weiß – darüber, sie zuzufügen, und darüber, sie zu ertragen.« Er maß mich mit einem viel sagenden Blick und wandte sich ab. »Menschen mussten sterben, um mein Geheimnis zu bewahren, Bruno. Wenn Ihr jemanden auf meine Spur gesetzt habt, müssen meine Freunde und ich unbedingt wissen, wann und wo wir auf der Hut sein müssen.«
    »In Oxford wurden direkt unter meiner Nase drei Männer getötet. Ich wollte nur herausfinden, was geschehen ist. Nach heimlichen Priestern habe ich nie gesucht.«
    »Nicht?« Er sah mich lange an. Das Kerzenlicht fiel von unten auf seine hohen Wangenknochen, sodass sein Gesicht wie eine geschnitzte Maske wirkte, deren Konturen sich im Schein der tanzenden Flamme veränderten. »Die katholische Kirche hat Euer Leben bedroht – strebt Ihr nicht nach Rache? Habt Ihr Euren Hass nicht der protestantischen Sache verkauft, um die Kirche zu bekämpfen, die Euch verfolgt hat?«
    »Nein«, erwiderte ich schlicht. »Ich hasse niemanden. Ich möchte nur in Ruhe gelassen werden, um die Mysterien des Universums auf meine Weise verstehen zu lernen.«
    »Gott hat uns diese Mysterien bereits dargelegt, oder zumindest so viel davon, wie Er uns zu verstehen erlaubt. Haltet Ihr Euren Weg für besser?«

    »Jedenfalls für besser als diese

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