Keusche Gier: Erotischer Roman (German Edition)
ruhiger. Aber reicht das auch?
Nach der Rückkehr aus Osttexas hatte Kimber so gehofft, dass Deke anrufen und sich entschuldigen würde, dass er sie darum bitten würde, zurückzukommen, dass es ihm leidtat, sie verletzt zu haben. Gott, sie hatte stundenlang geheult … Jesse war da völlig nebensächlich geworden.
Von Dekes Seite herrschte absolute Funkstille. Stattdessen hatte Luc bei ihr angerufen und mit allen Mitteln versucht, sie zur Rückkehr zu bewegen. Von Deke war nichts gekommen, null. Seiner eigenen Aussage nach hatte er bei ihr einen Steifen und sonst nichts. Kimber nahm ihm das nicht ab. Dafür war sie ihm emotional zu nah gekommen; Deke wollte sie vor irgendetwas schützen, sie wusste bloß nicht, wovor. Außerdem wollte er sich selbst schützen.
Nachdem er Kimbers Angebot, sie zu entjungfern, schnöde ausgeschlagen hatte und ihr mit dieser blöden Stripperin gekommen war, hatte sie gemerkt, dass sie in ihn verliebt war.
Schritte näherten sich der Tür, und sie blendete den Gedanken und den pochenden Schmerz hastig aus. Atmete tief durch. Das angenehm taube Gefühl im Kopf stellte sich wieder ein.
Deke mochte ihr keine Steine in den Weg legen. Folglich stand sie hier, vor Jesses Tür, entschlossen, ihren Plan auszuführen. Sie mochte Luc zwar gern, aber sie musste über Deke hinwegkommen und an ihrer Zukunft arbeiten. Was blieb ihr anderes übrig?
Die Hotelzimmertür sprang auf. Ein Unbekannter mit einem jungenhaften Grinsen tauchte im Türrahmen auf. Wellige braune Haare. Wasserblaue Augen. Typ Milchbubi – abgesehen von dem auffälligen Totenkopf-Tattoo mit den gekreuzten Knochen auf seinem Bizeps, dem schwarzen Eyeliner und dem dicken Ring in seinem Nasenflügel.
»Hi, ich möchte zu Jesse.«
Er streckte eine schmale, blasse Hand aus. »Du bist bestimmt Kimber. Ich bin Ryan. Ich schreib die Songs und sing im Backgroundchor mit.«
Sie schüttelte ihm die Hand. »Oh, ja, er hat dich häufiger erwähnt. Freut mich, dich kennen zu lernen.«
Ryan musterte sie anerkennend von oben bis unten. »Mich auch. Er meinte, du bist ein umwerfendes Mädchen, aber das ist glatt gelogen. Du bist eine umwerfende Frau. Der wird vielleicht Augen machen! Komm rein.«
Kimber bedankte sich mit einem nervösen Lächeln und schaute sich im Zimmer um. Von wegen Zimmer, es war eine Suite. Sehr elegant in Creme- und Brauntönen gehalten, mit einer irren Aussicht über ganz Houston.
»Danke. Ist Jesse da?«
»Er ist kurz in die Dusche gesprungen. Die Proben dauerten länger, und nachher hat er noch ein Radiointerview. Ich soll mich so lange um dich kümmern.« Ryan zuckte mit den Schultern. »So was kommt vor.«
»Kein Problem.«
Kimber versuchte, sich ihre Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. Wenn er gekonnt hätte, hätte Jesse sie bestimmt persönlich begrüßt. Immerhin hatte sie fünf Jahre auf diesen Tag gefiebert, und sie brauchte ganz, ganz dringend einen Freund. Konnten die anderen Leute nicht mal zehn Minuten warten?
»Setz dich doch«, meinte Ryan. »Möchtest du einen Drink?«
Er zeigte auf die ziemlich geplünderte Minibar. Zig kleine Fläschchen fehlten. Dafür waren fast alle Sprudelflaschen noch voll.
Sie schüttelte den Kopf und sank auf das schokoladenbraune Sofa. Sie überlegte kurz, ob sie sich mit einem Whiskey Mut antrinken sollte, aber nachher war ihr vermutlich bloß schlecht. »Nein, danke.«
Ryan setzte sich neben sie. »Jesse hat viel von dir erzählt. Ich hab das Gefühl, als würde ich dich schon jahrelang kennen. Er findet dich total nett. Und süß.«
Kimber legte die Stirn in Falten. Sie war schließlich keine Heilige. Nach allem, was sie mit Luc und Deke getrieben hatte. Im Nachhinein betrachtet, hatte sie es nicht bloß für Jesse gemacht. Oder um zu sehen, ob sie auf einen Dreier abfuhr. Nachdem sie das mit ihrer Unerfahrenheit erkannt hatte und in Deke die Lösung für ihr Problem witterte, hatte sie die Chance beim Schopf gefasst, um ihn wiederzusehen. Um die dunkle Faszination zu befriedigen, die der toughe Berufsoffizier seit ihrer Pubertät auf sie ausübte.
»Na ja, Jesse hat bestimmt übertrieben.«
»Der? Nee. Der kennt sich mit so was aus, das kannst du mir glauben. Der lobt einen nicht mal eben bloß so über den grünen Klee, wenn es nicht stimmt.«
»Verstehe.« Das war glatt geschwindelt. Sie verstand nicht die Bohne.
Der Jesse, den sie mit jenem speziellen Sommer verband, war optimistisch gewesen und hatte Zukunftspläne geschmiedet. Klar, dass er in
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