KGI: Blutiges Spiel (German Edition)
Last zusammenklappen. Kein Mensch konnte über einen solch langen Zeitraum diese Anspannung aushalten – nicht mit ihrer Vorgeschichte.
»Du brauchst nicht wieder hinüberzugehen, Sarah«, sagte er leise. »Du kannst hier bei mir bleiben.«
Sie wurde ganz ruhig, dann rückte sie von ihm ab. Offenbar war ihr plötzlich klar geworden, wie nahe sie ihm war, dass sie ihn berührte und sich von ihm trösten ließ. Nun war ihr anfängliches Entsetzen so weit verblasst, dass ihre Abwehrmechanismen wieder einsetzten. Ihr Selbsterhaltungstrieb übernahm erneut die Kontrolle.
Die Besorgnis stand ihr ins Gesicht geschrieben, als sie versuchte zurückzuweichen. Aber zum ersten Mal wollte er nicht nachgeben. Er hielt sie fest und musterte sie aufmerksam, ob sie sich ernsthaft bedrängt fühlte, aber er konnte nur Unsicherheit in ihrer Miene erkennen. Keine Furcht.
»Hör mir zu, Sarah. Ich möchte, dass du hierbleibst. Ich gehe rüber und überprüfe dein Haus.«
Sie schüttelte den Kopf, aber er legte ihr einen Finger auf die Lippen, um ihren Widerspruch zu unterbinden.
»Du stellst dich jetzt unter die heiße Dusche, während ich mich drüben umsehe. Ich bringe dir frische Kleidung mit. Du zitterst ja wie Espenlaub.«
Ihre eiskalten Finger schlossen sich um sein Handgelenk. »Garrett, das geht nicht. Was ist, wenn er noch drüben ist?«
»Das will ich doch verdammt noch mal hoffen.«
Er hob sie hoch und setzte sie neben sich. Dann legte er ihr die Decke um.
»Sei bitte vorsichtig«, flehte sie ihn an.
»Ich habe meine Pistole. Und ich bin jemand, der zuerst schießt und dann Fragen stellt. Wenn ich weg bin, gehst du dich heiß duschen, sonst wirst du noch krank.« Er streichelte sanft ihre Wange. »Okay?«
Sie nickte, und er stand auf. Ihre Wangen hatten wieder ein wenig Farbe bekommen, und sie schien ihre Umgebung nun klarer wahrzunehmen. Sie würde zurechtkommen, bis er zurück wäre. Aber er wollte keinerlei Risiko eingehen.
»Wenn du im Bad bist, schließt du dich ein. Komm erst raus, wenn ich dir sage, dass alles in Ordnung ist.«
Erneut nickte sie. Er schnappte sich die Pistole und ging zur Tür. Bevor er sich endgültig auf den Weg machte, drehte er sich noch einmal um und legte so viel Nachdruck in seine Worte, dass sie sie auf der Stelle befolgen würde.
»Geh ins Bad. Sofort.«
12
Sarah hielt den Kopf unter den Wasserstrahl. Sie hatte die Dusche keineswegs heiß, sondern kalt aufgedreht, weil sie die schreckliche Angst fortspülen wollte, die sie immer noch fest im Griff hatte. Als sie die Eiseskälte schließlich nicht mehr aushielt, wechselte sie zu heißem Wasser.
Dampf stieg in dem kleinen Badezimmer auf, und sie stand einfach da und wartete, bis sie wieder auftaute. Sie schloss die Augen, und der Strahl ergoss sich wie ein Wasserfall über ihren Körper. Verlor sie den Verstand? War diese Nacht eine einzige große Halluzination gewesen?
Nein, da war jemand in der Küche herumgelaufen. In ihrem Haus. Das hatte sie sich nicht eingebildet. Dazu kannte sie mittlerweile jedes Geräusch darin zu gut. Sie wusste, welche Diele knarzte. Sie wusste, dass die Wände ächzten, wenn der Wind zu heftig pfiff. Die Geräusche, die sie gehört hatte, stammten von einem Einbrecher, und sie war mit der Gewissheit wach geworden, dass sie nicht allein war.
Sie blieb unter der Dusche, bis sie völlig aufgeweicht war und ihr von der Hitze schon der Schweiß auf der Stirn stand. Sie fühlte sich wieder durch und durch aufgewärmt. Schließlich drehte sie das Wasser ab und holte ein paarmal tief Luft, ehe sie den Vorhang zur Seite schob und auf die abgenutzte Matte hinaustrat. Sie nahm eins der ordentlich zusammengelegten Handtücher aus dem Regal oberhalb der Toilette und wickelte es sich um den Kopf. Dann griff sie nach einem zweiten und trocknete sich sorgfältig ab.
Ihr fiel Garretts Anweisung ein. Sie klappte den Deckel der Wäschetruhe zu, setzte sich darauf und zog das Handtuch eng um sich. Was machte Garrett nur?
Falls ihm etwas zustieß, würde sie das nicht ertragen können. Was war, wenn sie ihn in eine Falle geschickt hatte? Was war, wenn der andere in ihrem Haus auf sie wartete? Wenn Garrett ihn überraschte, konnte er verletzt oder gar getötet werden. Dann saß sie hier fest. Allein.
Sie hätte Garrett nie gehen lassen dürfen. Sie hätten bis zum Morgen warten sollen, wenn es hell geworden wäre und der Sturm nachgelassen hätte. Dann hätte sie ihre Sachen holen und sich schleunigst aus dem Staub
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