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Kill Whitey

Kill Whitey

Titel: Kill Whitey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ueberreuter
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kämpfen?«
    »Sondra, mein Körper fühlt sich an, als hätte ich zwölf Runden mit Mike Tyson hinter mir.«
    »Mit wem?«
    »Mike Tyson. Ein echter Henker. Weltklasseboxer. Aber egal, spielt jetzt keine Rolle. Wichtig ist im Moment nur, dass wir aufhören zu quatschen und schleunigst von hier verschwinden.«
    Ich betrachtete die Tür, durch die wir gekommen waren und die zurück hinaus in die Maschinenwerkstatt führte. Man konnte sie nur mit einem Schlüssel absperren, den wir natürlich nicht hatten.
    Ein rascher Blick durch den Raum offenbarte nichts, was schwer oder groß genug gewesen wäre, um die Tür zu verbarrikadieren. Schlimmer noch, da die Maschinen und ein Großteil der Einrichtung entfernt worden waren, gab es keine Verstecke, und die verbliebenen Werkbänke waren leer – nichts, was sich als Waffe verwenden ließ, um sich damit zu verteidigen.
    »Scheiße«, fluchte ich. »Komm mit.«
    Ohne darüber nachzudenken, ergriff ich ihre Hand und führte sie auf den dunklen Flur zu. Sie drückte meine Finger. Ich erwiderte die Geste.
    »Es tut mir leid«, sagte ich. »Wegen vorhin. Ich hätte das nicht sagen sollen. Ich fühle mich wie ein richtiges Arschloch.«
    »Ist gut, Larry. Wir haben beide ... wie sagt man? Einen schlechten Tag.«
    Ich kicherte. »Ja, ich denke, das kann man mit Fug und Recht behaupten.«
    »Dass wir einen schlechten Tag haben?«
    Diesmal lachte ich. »Du bist schon etwas Besonderes, Sondra Belov.«
    »Du auch, Larry Gibson. Und ich irre mich auch.«
    »Womit?«
    »Als ich sage, dass du bist wie andere Männer. Da ich mich irre. Du bist nicht so. Sie sagen gemeine Sachen und entschuldigen sich nicht. Du schon. Du sagst, es tut dir leid.«
    »Tja, tut es auch. Und ich meine es ernst. Ich hätte das nicht sagen sollen.«
    »Wenn wir hier weg sind, du kaufst mir großes Abendessen, und danach wir machen wieder gut – in Schlafzimmer. Hört das an gut?«
    »Ob es sich gut anhört? Eher großartig . Vor allem der Teil mit dem Schlafzimmer.«
    Lächelnd drückte Sondra erneut meine Hand. Plötzlich war es, als verliebte ich mich abermals in sie. Trotz allem, was geschehen war, übernahm ihr Lächeln – dieses perfekte, wunderschöne Lächeln – vollständig die Kontrolle über mich.
    Und mehr bedurfte es nicht, um mich wieder anzustacheln.
    Ich spürte keine Schmerzen mehr. Ich fühlte mich nicht mehr verraten.
    Stattdessen empfand ich Hoffnung.
    Frauen können so etwas bewirken – dass man Dinge empfindet, die man nicht empfinden sollte.

19
    Hand in Hand, Seite an Seite schlichen wir den Korridor entlang und ließen uns von der Dunkelheit verschlingen. Der Flur bot keinen besonderen Anblick. Nach dem bisschen zu urteilen, das ich erkennen konnte, war er ebenso verwahrlost wie der Rest des Gebäudes. Die rissigen braunen Bodenfliesen waren verzogen und bogen sich an den Ecken auf. Darunter zeichnete sich rußige, getrocknete Paste ab. Die Betonwände waren gesprungen und von Schimmel überzogen. Als sich unsere Augen an die Dunkelheit gewöhnten, stellten wir fest, dass sich der Korridor nicht weit erstreckte. Auf der linken Seite befand sich eine alte Stempeluhr mit einer leeren Halterung, in der einst das Personal seine Zeitkarten verwahrt hatte. Die Zeiger der Stechuhr waren für immer bei drei Uhr nachmittags stehen geblieben. Dienstende.
    Die rechte Seite des Flurs wies drei Türen auf. Zwei führten in die Waschräume für Männer und Frauen, die wir als Erstes erkundeten. In beiden Räumen gab es keine Armaturen mehr. Lose PVC-Rohre ragten aus den Wänden und dem Boden. Die Kupferleitungen waren längst geplündert worden. Verblasste Graffiti überzogen die Wände. Ein Großteil davon sah aus, als wäre er vor einem Jahrzehnt gekritzelt worden, zumal darin auf Politiker und Popkulturthemen angespielt wurde, die nicht mehr von Belang waren. Die derben Sprüche erinnerten mich an die Herrentoilette im Odessa , wo ich gewesen war, bevor wir Sondra unter meinem Jeep versteckt gefunden hatten. Es schien mir bereits tausend Jahre zurückzuliegen. Mit einem Mal fühlte ich mich alt und erschöpft. Nicht bloß müde. Zu Tode erschöpft. Ausgelaugt.
    Der Rauch hatte sich mittlerweile weiter verdichtet. Ich wusste nicht, was in Flammen stand, doch ich glaubte nicht, dass es sich um das Gebäude handelte. Die Luft schmeckte nach Ruß. Ich fragte mich, wie lange wir sie noch atmen konnten. Meine Augen und meine Nase begannen zu brennen.
    »Komm weiter«, drängte ich. »Hier ist

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