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Kill Whitey

Kill Whitey

Titel: Kill Whitey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ueberreuter
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nichts.«
    Die dritte Tür führte in einen Pausenraum mit runden Tischen und einigen Stühlen, von denen keiner aussah, als könne man noch darauf sitzen. An der Wand standen drei verstaubte Verkaufsautomaten, einer für Limonade, zwei für Süßigkeiten und Snacks. Alle waren leer, schienen jedoch ansonsten in recht ordentlichem Zustand zu sein. Ich fragte mich, warum die Automatenfirma die Maschinen hier gelassen hatte, und gelangte zu dem Schluss, dass die Maschinenwerkstatt sie vermutlich gekauft hatte.
    An der Wand hing ein altes Mitteilungsbrett, das nur noch an einer Aufhängung baumelte. Die Korkoberfläche war an einigen Stellen zerschnitten und zerfetzt. Es waren noch gelbe Mitteilungszettel daran befestigt – Arbeitsschutzverfahren, Sicherheitsbestimmungen, Richtlinien für Gleichbehandlung und gegen sexuelle Belästigung. Alles Dinge, die für die Männer und Frauen, die früher hier gearbeitet hatten, keine Rolle mehr spielten. Mit etwas Glück hatte das ehemalige Personal von hier woanders Arbeitsplätze gefunden und hielt sich nun an neue Arbeitsschutzverfahren und Sicherheitsbestimmungen.
    Die Alternative war so deprimierend wie unsere verwahrloste Umgebung. Arbeitslosigkeit im Amerika des frühen einundzwanzigsten Jahrhunderts – ein lebender Tod in einer Welt, in der sogar der Televerkauf ins Ausland ausgesiedelt wurde und man nur noch über Leiharbeitsfirmen überhaupt einen Job fand. Kein Platz für Stolz, Würde oder den gerechten Lohn für einen Tag voll harter Arbeit. Der Aktienmarkt stieg proportional zu unserem Abstieg an. Tot war man besser dran.
    Allerdings war ich noch nicht bereit zum Sterben. Immerhin hatte ich hoffentlich noch einen Job. Das war im Augenblick das Einzige, was mich aufrecht hielt. Das und Webster, sofern er nach der Schießerei nicht vom Tierschutz oder meinem Vermieter mitgenommen worden war. Plötzlich vermisste ich meinen Kater sehr, und ich überlegte, was er wohl gerade tun mochte. Versteckte er sich in meiner Wohnung, beobachtete die CSI-Mitarbeiter und fragte sich, wann ich nach Hause kommen würde? Fauchte Webster sie verärgert an, um den Eindringlingen mitzuteilen, sie mögen wenigstens so höflich sein, ihn zu füttern, bevor sie gingen?
    Ich seufzte tief. Mir wurde schwer ums Herz.
    »Was ist?«, fragte Sondra.
    »Nichts«, gab ich zurück. »Musste bloß an etwas denken.«
    Weder in den Waschräumen noch im Pausenraum gab es Fenster oder Türen nach draußen und somit keinen Ausweg, außer vielleicht im Keller, was ich für unwahrscheinlich hielt. Wir saßen in der Falle.
    »Ich weiß es einfach nicht«, murmelte ich. »Ich weiß nicht, was wir tun sollen.«
    Plötzlich packte mich Sondra am Arm. Ihre Fingernägel bohrten sich in meine Haut.
    »Au«, stieß ich hervor. »Wofür war das denn?«
    »Horch«, flüsterte sie. »Ich glaube, ich höre etwas. Sind das Schritte?«
    Ich hielt den Atem an und lauschte. In meinen Ohren summte es nicht mehr, dennoch vernahm ich keinen Laut. Hätte die Polizei das Gebäude gestürmt, wäre uns das zweifellos nicht entgangen. Die Stille bedeutete, dass wir mit der anderen Möglichkeit konfrontiert waren.
    Whitey kam.
    Ich überlegte rasch, dann ergriff ich Sondras Hand und zog sie hinter die Limonadenmaschine. Sie stand etwas von der Wand entfernt. Dahinter befand sich eine Nische, gerade breit genug, dass wir beide uns hineinzwängen konnten. Sondras Brüste und mein Bauch drückten gegen die Rückseite der Maschine. Es war eng, aber wir schafften es. Dreck und Spinnweben beherrschten die Nische. Ich hielt den Atem an und versuchte, nicht zu niesen, als mir Staub in die Nase stieg. Das Netzkabel der Limonadenmaschine war durchgeschnitten worden, sodass die Drähte frei lagen. Ich hoffte, dass sie keinen Strom mehr führten. Es wäre echt unangenehm gewesen, gegrillt zu werden, bevor Whitey uns hinmetzeln konnte.
    Draußen in der Maschinenwerkstatt schwang die Tür des Hinterzimmers auf. Wir hörten, wie sie gegen die Wand krachte. Sondra zuckte zusammen. Ich fasste nach unten und drückte wieder ihre Hand, um dafür zu sorgen, dass sie still blieb. Ich wartete darauf, dass jemand ›Polizei!‹ brüllte, und lauschte auf das Knistern eines Funkgeräts, doch stattdessen nahm ich nur Schritte wahr. Vertraute Schritte. Ruhige, langsame, selbstsichere Schritte. Die Laute von Abendschuhen auf Beton. Laute, die mich mit Furcht und Resignation erfüllten. Laute des Todes.
    Wir verharrten reglos, atmeten kaum, während sich

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