Killashandra
auf der Schlachtbank«, flüsterte ihr Lars ins Ohr.
»Quatsch!« flüsterte sie zurück und setzte eine wohl-wollende Miene auf. Doch dann bemerkte sie die Sitz-ordnung.
Die Orgelkonsole beherrschte natürlich die blauweiß dekorierte Bühne. Goldene Vorhänge bildeten einen Rah-men, der in den sanften Schein indirekter Lichtquellen getaucht war. Sie stiegen eine kleine Rampe zur Or-chesterebene hinauf, wo Mirbethan sich lächelnd umdrehte und ihnen ihre Stühle zeigte.
Wie die Inquisition, dachte Killashandra. Die Stühle waren mit blauem Samt gepolstert und äußerst bequem und tief. Sie hatten breite ausgekehlte Armlehnen, in die der Zuhörer Handgelenke und Hände legen konnte, um eine sensorische Verbindung herzustellen. Killashandra rechnete nicht mit einer angenehmen Mußestunde, denn über jedem Sitz war eine Art Haube, in der ohne Zweifel weitere sensorische Sender steckten. Lars hatte recht: Lämmer auf der Schlachtbank.
Dennoch und weil es zur Rolle paßte, die sie angenommen hatte, gab Killashandra ihrem Entzücken über
>die Ausstrahlung des Saals< Ausdruck, über die bezau-bernde Dekoration und die ungewöhnliche Bestuhlung.
Sie zählte fünfzehn Reihen, die sich hinter ihr im Schatten verloren. Der Saal war bis zum letzten Platz gefüllt.
Sie zählte auf ihrer Seite fünfzehn Sitze, so daß insgesamt vierhundertfünfzig Leute, also alle Angehörigen des Konservatoriums, am Konzert teilnahmen.
Als sie saß, konnte sie wegen der Schrägstellung ihres Sessels und wegen der Armlehnen Lars nur noch mit dem Fuß berühren. Sie schob den Fuß zur Seite, bis sie seinen Fuß gefunden hatte. Er antwortete mit einem leichten Gegendruck, der sie viel stärker beruhigte, als sie es von einer so kleinen Geste erwartet hätte.
Das Licht wurde abgedunkelt, und Killashandra spür-te eine Unruhe, die sie in diesem köstlichen, erwartungsvollen Augenblick vor einer Vorstellung noch nie erlebt hatte.
Eine Frau in langen flatternden Gewändern sprang auf die Bühne. Sie verneigte sich vor dem Publikum und nahm an der Orgelkonsole Platz. Ihre Schultern, um die sie Tücher gelegt hatte, wurden von einem Scheinwerfer angestrahlt. Killashandra sah noch, wie sie die Hände auf das untere Manual legte, und als der erste Akkord erklang, erloschen die Lichter ganz.
Killashandra hätte Lars beinahe einen Tritt versetzt, als sie die Musik erkannte. Jeder Musikliebhaber außerhalb Optherias hätte einen Mann namens Bach als den Komponisten anerkannt. Dann begannen die sensorischen Sender an ihr zu zerren. Es war gut gemacht: der Duft von frischem Gras und Fühlingslüften, zartes Grün, sanfte Farben, bukolische Gerüche und dann — Lars stieß ihren Fuß aufgeregt an, doch sie hatte schon das Bild des >Schäfers< aufgenommen, eines glorifizierten Ampris, eines freundlichen, liebevollen und zärtlichen Hirten, der einen Moment lang milde die Mitglieder seiner >Herde< anblickte.
Hatte Trag versagt? Enttäuschung und böse Vorah-nungen durchzuckten Killashandra. Sie erinnerte sich an den Aufbau des Konzertsaals. Auch hinter dieser Orgelkonsole mußte es einen unterbewußten Generator geben. Wahrscheinlich war sogar jedes dieser hinterhältigen Instrumente mit derartigen Zuatzanlagen ausgerüstet. Wie konnten sie die alle ausschalten? Ein zweites Bild, das eines bekümmerten Ampris, der ob eines Fehl-verhaltens seiner Herde traurig war — traurig, aber unendlich tolerant und nachsichtig —, trieb ihren Mißmut über die ganze Übung auf die Spitze.
Killashandra fing alle Bilder auf, die gesendet wurden, scharf und klar, als wäre ein dreidimensionales Hologramm auf einem Bildschirm erschienen. Die unterbewußte Beeinflussung ließ ihre Netzhaut schmerzen.
Hatte das mit der instinktiven Abwehr ihres Symbionten gegen die Überlagerung zu tun?
Als die Lichter wieder aufflammten, beschloß Killashandra, die Beeindruckte zu spielen, wie man es von ihr erwartete.
»Gildenfrau?« fragte Mirbethan erwartungsvoll. »Das war ganz entzückend. So beruhigend, eine so liebliche Szene. Ich muß sagen, ich konnte wirklich das frische Gras und die Frühlingsblumen riechen.« Lars versuchte ihr auf den Zeh zu treten. Sie kämpfte sich aus dem Sitz und sah ihn an. »Lars Dahl, das war wirklich genau so, wie Sie es mir beschrieben haben!« Er tippte zweimal. Er hatte verstanden.
Ein zweiter Künstler betrat die Bühne. Seine Bewegungen wirkten so zackig, daß Killashandra im stillen mit sich wettete: Entweder ein deutscher Komponist
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