Killer im Kopf
es ihr im Gegensatz zu der Düsternis des anderen Raumes vor.
Sie war allein und bekam es durch den Blick in den Spiegel präsentiert.
Bin ich das?
Sheila erschrak, als sie ihr Gesicht sah. Es sah grau und alt aus. Der innere Zustand malte sich bei ihr auch äußerlich ab, und auf den Wangen sah sie rote Flecken.
Das ist also aus mir geworden, dachte sie und schlurfte dabei auf das Waschbecken zu, über dem der Spiegel hing und beinahe die gesamte Wandbreite einnahm. Sie schüttelte den Kopf, schaute sich dabei zu und stöhnte wieder, als sie ihr Gesicht aus der Nähe betrachtete.
Bin ich schon so alt, wie ich aussehe?
Nein, das war sie nicht, aber die Qualen machten einen Menschen nun mal älter, daran gab es nichts zu rütteln. Zu hart und zu tief war Sheila getroffen worden. Sie konnte sich nicht daran erinnern, sich je so schlecht gefühlt zu haben.
Die Angst verglich sie mit einer Folterkammer, die schrumpfte und sie bald erdrücken würde.
Dann war es vorbei.
Dann wartete das Grab!
Sie starrte in den Spiegel. Das Bild verwischte, als wäre jemand dabei, ihr Gesicht zu verändern.
Eine Fratze erschien, deren Haut aussah wie eine alte Baumrinde. So grau, so zerlaufen, und sie war dabei, aus einem leeren Grab zu kriechen, wie ein Zombie, der sich auf die Suche nach Opfern gemacht hatte.
Sheila merkte nicht, daß ihre Augen dabei geschlossen waren. Die Bilder waren nicht echt, sondern Teile ihrer Phantasie, die immer stärker durchdrang.
Unter ihren Händen spürte sie den kalten Rand des Waschbeckens, auf dem sie sich aufgestützt hatte.
Reiß dich zusammen! Reiß dich zusammen! Reiß dich wieder einmal zusammen…
Nie war es so hart für sie gewesen. Und ausgerechnet heute war sie allein im großen Haus.
Die folgenden Handgriffe tat sie automatisch. Sie ließ Wasser in das Waschbecken laufen und schleuderte sich das Wasser ins Gesicht.
Die Kühle tat ihr gut. Die Wassertropfen schienen auf der Haut zu zischen wie auf einer heißen Ofenplatte. Sheila konnte nicht aufhören, sich das Gesicht zu waschen, als sollte das kalte Wasser auch ihre grauenvolle Furcht wegströmen.
Irgendwann nahm ihre Haut eine zu große Kälte an. Sheila fror und richtete sich wieder auf. Das weiche Handtuch hing griffbereit neben dem Becken. Damit trocknete sie ihr Gesicht ab, wobei sie das Handtuch so spät wie möglich wegnahm, um nicht noch einmal mit dem eigenen Spiegelbild konfrontiert zu werden. Zusätzlich hatte sie dem Spiegel ihren Rücken zugedreht.
Mit einer müden Bewegung warf sie das Handtuch in die große ovale Wanne.
Sheila dachte an den Luxus, der sie umgab. Sie hatten beim Bau des Hauses damals nicht zu sparen brauchen. Zwar gab es keinen Protz, aber die Einrichtung lag schon weit über dem Durchschnitt. Es hatte Zeiten gegeben, da hatte sie sich daran erfreut. Das aber war seit einiger Zeit dahin.
Keine Freude mehr an irgendwelchen Dingen, die ihr einst so gefallen hatten. Die Angst war einfach zu stark, und sie hatte Sheila voll und ganz übernommen.
Zwar war sie erfrischt worden, aber sie fühlte sich auf keinen Fall besser.
Noch immer lastete der Druck schwer auf ihr. Die Bewegungen waren längst nicht mehr die gleichen wie noch vor einem Tag. Sie gab ja zu, daß diese Angstzustände und Depressionen schon. Seit einigen Wochen vorhanden waren, aber längst nicht so stark wie an diesem Tag. Alles lief auf ein bestimmtes Ziel zu. Was zuvor gewesen war, betrachtete sie mittlerweile als ein Vorspiel. Jetzt war es soweit. Sie stand dicht davor, durchzudrehen. Da hatte jemand sein Ziel erreicht.
Aber wer?
Wer kam in ihre Gedanken hinein? Wer, zum Teufel, setzte sich in ihrem Kopf fest und sorgte für das absolute Grauen?
Sie konnte es nicht sagen. Sie kannte ihn nicht. Aber er oder es war da.
Kein Geist. Oder doch? Jemand, der in einer anderen Welt und anderen Dimension lebte und eine Brücke gebaut hatte, deren eines Ende direkt zu ihr führte. Einer der zahlreichen Gegner, mit denen sie und ihr Mann in den letzten Jahren zu tun gehabt hatten?
Alles war möglich, und Sheila versuchte, sich gewisse Gestalten vorzustellen, was ihr aber auch nicht gelang, denn sie war einfach zu wirr im Kopf.
Es war furchtbar für sie, einfach nicht zu fassen. Nicht greifbar, denn alles rann ihr weg.
Sie verließ das Bad. Noch mehr verunsichert, und sie ging wie eine alte Frau. Sogar mit einer Hand schleifte sie an der Wand entlang, um sich festzuhalten.
Draußen dämmerte es stärker. Die Geister des
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