Killeralgen
schütter werdendes, krauses weißes Haar schien langsam aber sicher von seinem Kopf nach hinten zu rutschen. Er hatte eine grobknochige Gestalt und große Arbeiterhände, die eher mit einer Spitzhacke umgehen konnten als mit den sehr dünnen und empfindlichen Exemplaren der Meeresvegetation, die sein Spezialgebiet waren.
»Vielen Dank, dass Sie gleich herübergekommen sind«, sagte er. »Ich hoffe, es war keine zu große Zumutung.«
»Ganz und gar nicht«, erwiderte Gamay freundlich. »Es freut uns immer, Sie zu treffen.«
»Möglicherweise denken Sie ganz anders darüber, wenn Sie erfahren, was ich Ihnen zu berichten habe«, sagte Osborne mit einem geheimnisvollen Lächeln.
Ohne weitere Erklärung führte er sie in sein Büro. Obgleich das MBL auf der ganzen Welt bekannt war für seine Forschungseinrichtungen und seine Bibliothek, war das Lillie Building mit seinen Labors ein wenig einnehmender Ort.
Rohrleitungen verliefen an der Decke, die Türen, die die Korridore säumten, bestanden aus dunklem Holz mit Kieselglasscheiben, und im Großen und Ganzen sah es ganz nach dem aus, was es auch wirklich war: ein ehrwürdiges altes Laborgebäude.
Osborne geleitete die Trouts in sein Büro. Soweit Gamay sich erinnern konnte, war Osborne geradezu fanatisch sauber und ordentlich, was schon fast an eine verspätete anale Phase erinnerte, und sie sah, dass er sich nicht geändert hatte. Wo viele Professoren sich mit Papierstapeln und Berichten umgaben, bestand seine Büroeinrichtung lediglich aus einem Computertisch und einem Stuhl sowie zwei Klappstühlen für Besucher. Sein einziger Luxus war eine Teemaschine, die er in Japan erstanden hatte.
Er schenkte drei Tassen Grüntee ein und sagte, nachdem sie einige Nettigkeiten ausgetauscht hatten: »Verzeihen Sie mir, dass ich so kurz angebunden bin, aber die Zeit wird knapp, daher komme ich gleich zum Kern meines Anliegens.« Er lehnte sich in seinem Sessel nach hinten, legte die Fingerspitzen beider Hände gegeneinander und sagte zu Gamay: »Als Meeresbiologin sind Sie sicherlich mit
Caulerpa taxifolia
vertraut.«
Gamay hatte an der Universität von North Carolina ein Diplom in Meeresarchäologie erworben, ehe ihr Interesse sich verschoben hatte und sie sich bei Scripps einschrieb, wo sie in Meeresbiologie promoviert hatte. Gamay musste innerlich grinsen, als sie sich daran erinnerte, in Osbornes Klasse gesessen zu haben. Er stellte seine Fragen gewöhnlich in der Form von Feststellungen.
»
Caulerpa
ist eine Algenart, die aus den Tropen kommt, obgleich man sie häufig in heimischen Aquarien antreffen kann.«
»Korrekt. Und Sie wissen auch, dass der Kaltwasser-Stamm, der in Aquarien so hervorragend gedeiht, in bestimmten Küstengegenden ein großes Problem darstellt?«
Gamay nickte. »Die Mörderalge. Sie hat weite Teile der Fauna im Mittelmeer zerstört und hat sich auch an anderen Orten ausgebreitet. Sie ist eine Unterart einer tropischen Alge.
Tropische Algen gedeihen normalerweise nicht in kaltem Wasser, doch diese Art hat sich angepasst. Sie könnte sich überall in der Welt ansiedeln.«
Osborne wandte sich an Paul. »Die Alge, von der wir reden, ist 1984 vom Ozeanographischen Museum in Monaco ins Meer gelangt. Seitdem hat sie sich gut dreißigtausend Hektar Meeresboden vor den Küsten von sechs Mittelmeerländern gesichert, und vor Australien und San Diego stellt sie bereits ein Problem dar. Sie verbreitet sich wie ein Flächenbrand. Das Problem ist jedoch nicht nur die Ausbreitungsgeschwindigkeit.
Caulerpa-
Kolonien sind extrem besitzergreifend. Die Alge breitet sich mit Ausläufern aus und bildet einen dichten grünen Teppich, der sämtliche andere Flora und Fauna verdrängt, indem er anderen Pflanzen und Tieren Sonnenlicht und Sauerstoff entzieht. Die Präsenz der Alge zerstört die Grundlage der ans Meer gebundenen Nahrungskette und vernichtet viele Arten mit schrecklichen Folgen für das Ökosystem.«
»Gibt es eine Möglichkeit, sich gegen dieses Zeug zur Wehr zu setzen?«
»In San Diego hatten sie einige Erfolge zu verzeichnen, indem sie spezielle Zeltplanen benutzten, um Quarantänefelder dieser Alge abzutrennen, während sie Chlor ins Wasser und den Schlamm gaben, in dem diese Algen sich festsetzen. Diese Technik wäre bei einer ausgedehnten Verseuchung absolut nutzlos. Es hat Versuche gegeben, Aquaristikhändler, die
Caulerpa
anbieten oder mit Steinen handeln, die mit Mikroorganismen verseucht sind, über die Gefahren aufzuklären.«
»Hat das
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