Killerinstinkt: Serienmördern auf der Spur (German Edition)
Harald Huber und Wilhelm Lohr finden ihren vorläufigen Abschluss mit der Abgabe der Ermittlungsakten an die Staatsanwaltschaft. Jetzt geht alles seinen juristischen Weg. Und am Ende steht das Urteil. Doch es bleibt immer etwas zurück. Jemand bleibt zurück. Menschen, die gerne übersehen und vergessen werden, weil sie keine Lobby haben und kurzerhand in Sippenhaft genommen werden: die Ehepartner der Täter. Ihnen werden bisweilen sogar von den eigenen Angehörigen Mitgefühl und Mitleid verweigert, weil sie mit verantwortlich gemacht werden für Verbrechen, die sie nicht begangen und von denen sie nichts gewusst haben. Die Folgen dieser sozialen Ausgrenzung sind regelmäßig dramatisch. Bei Elisabeth Rawski ist es besonders schlimm.
»Als die Sache rauskam, hat mehr oder weniger keiner mehr mit mir gesprochen. Die meisten in meiner Familie wollten von Anfang an nichts mehr mit mir zu tun haben. Die wollten auf gar keinen Fall in die Sache mit hineingezogen werden. Das wäre rufschädigend, und das könnten sie sich nicht erlauben. Da hat sich einfach keiner mehr gemeldet. Die ganze Zeit nicht. Überhaupt nicht. Egal ob ich Geburtstag hatte oder sonst was. Für die bin ich tot.
Selbst meine beste Freundin hat mir noch in der Klinik gesagt, sie will mit mir nichts mehr zu tun haben, weil sie meinen Mann sowieso nie gemocht hat. ›Und dieser Mann hat mich angefasst!‹, hat sie sich beschwert. ›Dieser Mann hat mir noch die Hand gegeben!‹ Sie hat einfach total überreagiert. Ich habe sie seitdem auch nicht mehr gesprochen und nicht mehr gesehen. Mein Bruder hat sich inzwischen auch von mir distanziert. Der hat vor kurzem eine Metzgerei aufgemacht, die ich nicht betreten darf. Ich habe dort Hausverbot. Auch er fürchtet um seinen Ruf. Ich darf aber auch nicht mehr zu ihm nach Hause.«
Elisabeth Rawski gehen die Haare aus, sie verliert ihre Stimme, kann nur noch krächzen. Die Ärzte finden keine biologische Ursache, die Seele ist verletzt. Trotz all dieser Erniedrigungen und Entbehrungen, die sie psychisch krank werden lassen, hält sie zu jenem Mann, dem sie all ihr Leid zu verdanken hat.
»Ich habe ihn zum ersten Mal besucht, nachdem ich aus der Klinik gekommen bin. Bis dahin hatten wir uns nur geschrieben, ich war einfach für ein Treffen mit ihm noch nicht bereit gewesen. Dann hat er es sich aber so gewünscht, dass ich mal komme, da bin ich Mitte April zu ihm gegangen. Und das war schon sehr, sehr schlimm, ihn so zu sehen. Er heulte die ganze Zeit, und ich habe auch geheult. Da war das noch relativ frisch, und er hat mir sehr gefehlt. Das tat körperlich richtig weh. Wir waren doch die Jahre über so eng zusammen gewesen. Wir hatten ja nur uns. Ich hatte nur ihn. Das war ein ganz trauriger, ganz schwerer Besuch für mich. Er hat es letztlich mir überlassen, ob ich ihn auch weiterhin besuchen würde.«
Alle Rahmen, in denen Bilder ihres Mannes hängen, hat Elisabeth Rawski abgedeckt. Sie will ihn nicht mehr sehen und hat Angst davor, nicht Distanz halten zu können zu diesem Mann, der ihr in fünfzehn Ehejahren nur etwas vorgespielt, der sie ausgenutzt, der sie bloßgestellt, der sie gekränkt, der ihr Leben ruiniert hat.
»Am meisten hat mich verletzt, dass er mich so verarscht hat. Dass ich im Nachhinein erfahren musste, dass er eben sehr viele sexuelle Kontakte hatte, nur eben mit mir nicht. Dass er mir da die ganze Zeit etwas vorgespielt und mir auch mein Sexualleben vorenthalten hat. Dass er mich mit so einer Kaltschnäuzigkeit belogen und betrogen hat.«
Das bisherige Leben hat für Elisabeth Rawski abrupt aufgehört. Peng! Peng! – zwei Schüsse aus der Pistole ihres Mannes haben sie in ein persönliches Desaster befördert: finanziell ruiniert, ein Leben in Schande, ausgegrenzt, totgeschwiegen. Auch die Nachbarn grüßen sie nicht mehr oder wechseln die Straßenseite, wenn die Frau des Serienkillers ihnen entgegenkommt. Mit so einer will man nicht gesehen werden, mit so einer will man nichts zu tun haben. Kontaktsperre. Funkstille. Kriegserklärung. Und wenn man sich aus den Augen verloren hat, werden die Messer gewetzt. »Wir haben es ja schon immer geahnt«, heißt es dann.
»Anfangs habe ich mich für meinen Mann geschämt. Da bin ich auch nicht mehr rausgegangen. Da habe ich mich wochenlang in meiner Wohnung versteckt. Ich wollte nicht raus, weil ich dachte, die sehen mir das alle an, dass mein Mann ein Mörder ist. Erst Wochen später habe ich das nicht mehr eingesehen, dieses
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