Killerspiel
Fische an Land zu ziehen, was mich irgendwie beschämte und nur dazu führte, dass ich mir ziemlich dämlich vorkam.
Er fragte mich auch, ob ich mir mit dem Namen sicher sei, da »Bill Moore« nach einem schlechten Werbeslogan wie »bill more – zahl mehr!« klinge und man als Makler oder sonstiger Dienstleister sicher nicht mit hohen Provisionsforderungen werben wolle. Zu meinem Ärger musste ich einräumen, dass sein Argument nicht von der Hand zu weisen war. Doch nachdem ich mir über die letzten sechs Jahre in der Stadt als Bill und nicht als William einen Namen gemacht hatte – schließlich ist Bill viel direkter und persönlicher und klingt nach jemandem, der die Dinge deichselt –, war es für einen Wechsel zu spät. Ich hakte das Problem vorerst ab.
Ich dachte daran, mir ein Sandwich zu besorgen, konnte mich andererseits für den Fraß nicht erwärmen und landete daher im Ben & Jerry’s. Wie immer sah es in dem Laden so aus, als hätte es hier kürzlich einem Überfall von Anhängern eines konkurrierenden Eiscremeherstellers gegeben. Erst jetzt bemerkte ich ein Mädchen, das hinter der Theke stand.
»Hey«, sagte sie, als ich auf sie zuschlenderte.
Sie war dürr, Anfang zwanzig, lockiges schwarzes Haar im Grufti-Emo-Stil. Wallende schwarze Kleider unter der Firmenschürze, ein Nasenpiercing. Das Ergebnis war nicht unattraktiv, auch wenn ich als Ladenbesitzer vielleicht doch darauf geachtet hätte, dass die Mitarbeiter so aussahen, als würden sie appetitlich frische, biologische Milchprodukte ohne Kohlenhydrate verkaufen und nicht Fledermausflügel mit Krötenblutsoße.
»Hey«, sagte ich. »Ich nehme …«
Ich brachte den Satz nicht zu Ende. Eigentlich hatte ich keine Ahnung, was ich wollte. Vielleicht nichts. Die Unterhaltung mit Max war mir mehr auf den Geist gegangen, als mir bis jetzt klar gewesen war, und meine Stimmung ließ sich nur schwer wieder aufheitern. Ich war mir nicht sicher, ob ich überhaupt ein Eis wollte oder ob ich nur hier war, um aus der letzten Nachmittagssonne zu kommen.
»Ich weiß, was Sie brauchen«, sagte das Mädchen.
»Tatsächlich?«
»Und ob. Wollen Sie sich draußen einen Platz suchen? Ach ja, und geben Sie mir sechs Dollar. Da ist dann schon das großzügige Trinkgeld drin, das Sie mir zukommen lassen wollen, wenn Sie erst mal probiert haben.«
Ein wenig amüsiert tat ich, was sie wollte. Fünf Minuten später erschien sie mit etwas hell Orangefarbenem in einer Schale. Ich sah es mir genauer an.
»Was ist das denn für ein Zeug?«
»Gefrorener Joghurt Mascarpone Mandarin, mit dem besonderen Etwas.«
Sie blieb herausfordernd stehen, während ich den ersten Löffel probierte. Es war erfrischend, aber nicht zu sauer und wirklich sehr schmackhaft. »Gute Wahl«, sagte ich. »Das mag ich.«
»Eigentlich heißt es Multimagische Mandarinen-Mascarpone-Melange, wenn Sie’s mal wieder bestellen wollen. Ist nur ätzend, das alles herunterzurasseln.«
»Ich werd’s mir merken. Sie haben mich auf den Geschmack gebracht.«
»Liegt an meinen übernatürlichen Kräften. Übrigens einer von vielen, sollte ich vielleicht anmerken.«
»Ich dachte, Menschen hätten höchstens eine übernatürliche Fähigkeit.«
»Ach was, das sollen wir nur glauben.«
Ich reichte ihr die Hand. »Bill Moore. Ich arbeite oben bei The Breakers auf Longboat. Bei Shore Realty.«
Sie schüttelte meine Hand in einer kessen Auf-ab-Bewegung. »Cassandra.« Sie drehte sich langsam in der Taille, um auf das Eiscafé zu zeigen. »Und ich arbeite … da.«
Ich aß den Joghurt zwar langsam, hatte die Schale nach einer halben Stunde aber trotzdem leer. Gegen Ende kam die Bedienung erneut heraus – diesmal ohne weiße Schürze, dafür in einem langen schwarzen Mantel.
»Schönen Abend noch, Mr. Moore.«
»Gleichfalls.«
Schon halb an der Ecke, drehte sie sich noch einmal um. »Ich hab Sie gar nicht gefragt. Was ist denn
Ihre
übernatürliche Kraft?«
Ich war ein wenig irritiert, dass ich auf Anhieb keine schlagfertige Antwort parat hatte. Ich zuckte die Achseln, verdrehte die Augen, als wollte ich andeuten, ich wüsste gar nicht, wo ich anfangen sollte. Nicht überzeugend.
»Aha«, sagte sie jedoch. »Sie müssen sie erst noch entdecken. Wie
aufregend.
«
Sie zwinkerte mir noch einmal zu und verschwand um die Ecke.
Ich schaffte es bis halb neun, indem ich die meiste Zeit auf dem Handy die neuesten Blogs las und meinen Facebook-Status mit Links zu den Besten aktualisierte, und fuhr
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