Killing time
sie umbrachte.«
Ein großer schlaksiger Mann mit schütterem braunem Haar und hängenden Schultern kam lässig zu ihnen herübergetrottet. Er sprach erst Hensley an und wandte sich dann an Jim. »Sind Sie der neue Chief Deputy?«
»Ja, ich bin Jim Norton.«
Der Mann reichte ihm die Hand. »Ich bin Morris Claunch, der Leichenbeschauer.«
Bernie steckte ihr Handy wieder an den Gürtelclip und kam zu ihnen. »Huntsville schickt uns ein Team von der Spurensicherung und einen Agenten namens Charlie Patterson.« Sie sah Claunch an. »Ich habe Dad angerufen und er meinte, du hättest vor ein paar Jahren schon mal mit ihm zusammengearbeitet.«
»Hmm … ja, stimmt. Patterson ist okay. Soweit ich mich erinnere, ist Patterson ein echter Teamspieler. Mit dem werdet ihr, ich meine: wirst du«, Claunch sah Jim an, »dein Chefermittler und sein Team, keine Probleme haben.«
»Ich würde gern Ihre Meinung hören, nachdem Sie sich die Leiche angesehen haben«, sagte Jim.
Claunch zog eine Augenbraue hoch, nickte und ging zu der schönen jungen Frau, die nackt auf dem Schotterweg inmitten des Sojabohnenfeldes lag.
Thomasina Hardy belud den Geschirrspüler und räumte die Küche ihrer Mutter auf. Dann wusch sie sich die Hände und cremte sie anschließend mit parfümierter Lotion ein. Ihr Bruder hatte an diesem Freitagabend eine Verabredung und ihre Mutter war gerade zu Thomasinas älterer Schwester Amanda gegangen, wo sie die Kinder hütete, damit Amanda und ihr Mann zum Bowling nach Adams Landing fahren konnten. Also war Thomasina ganz allein zu Hause. Ron und sie waren seit sechs Monaten getrennt, da sollte sie doch eigentlich mehr allein unternehmen, oder etwa nicht? In den letzten paar Monaten hatte sie bloß fünf Dates gehabt, und mit keinem der Männer hatte sie sich ein zweites Mal verabredet. Ja, sie war wählerisch. Zwar gab sie praktisch jedem Mann die Chance auf ein Date, aber wenn er ihren Ansprüchen nicht genügte, verschwendete sie weder seine noch ihre Zeit an ein zweites.
Paul Landon, der reichste Junggeselle in Adams County, hatte gedacht, er bräuchte ihr nur ein Essen zu spendieren, und schon dürfte er mit ihr ins Bett steigen. Der Typ war ein Idiot. Weder sein gutes Aussehen noch sein gewaltiges Bankkonto beeindruckten Thomasina genug, um ihm eine zweite Chance zu geben.
Ihre Mutter hatte versucht, sie mit dem Witwer Steve Banyan zu verkuppeln, dem Apotheker von Adams Landing, doch bei der ersten Verabredung war Thomasina bereits nach einer Stunde so gelangweilt gewesen, dass sie hätte schreien können. Der Mann redete ausschließlich über seine Kinder und seine verstorbene Frau.
Ihre Schwester hatte sogar mit zwei Kandidaten aufgewartet. Der eine arbeitete mit Amandas Mann zusammen bei der Telefongesellschaft und der andere war aus ihrem Bowlingteam.
Der einzig akzeptable Mann war Raymond Long gewesen, ein sehr netter Kerl, der vor kurzem geschieden wurde. Aber ausgerechnet der hatte nicht wieder angerufen, um sich ein zweites Mal mit ihr zu treffen. Vielleicht war sie nicht sein Typ.
Thomasina nahm sich das Fernsehprogramm und die Fernbedienung und setzte sich auf das Sofa im Wohnzimmer. Ihr stand ein weiterer Freitagabend allein bevor. Während sie es sich auf dem Sofa gemütlich machte, schaltete sie den Fernseher ein und legte die Fernbedienung neben sich. Dann blätterte sie das Programm durch. Es standen mehrere Krimiserien, Reality Shows und Comedy-Serien zur Auswahl, aber sie entschied sich für einen Kabelkanal, wo über eine junge Frau berichtet wurde, die sich die Brüste vergrößern ließ. Thomasina selbst trug Körbchengröße C, hatte sich jedoch schon oft gefragt, wie sie wohl mit Größe D oder Doppel-D aussehen würde.
Zehn Minuten später läutete das Telefon. Thomasina stöhnte. Wahrscheinlich war es einer dieser enervierenden Telefonwerber. Sie drückte den Stummknopf auf der Fernbedienung, stand auf und ging quer durchs Zimmer zur Anrichte, auf der ihre Mutter vorhin das schnurlose Telefon ablegte, nachdem sie mit Amanda telefoniert hatte. Thomasina sah auf die Rufnummernanzeige. MÜNZTELEFON . Ein Münztelefon? Wie seltsam. Sie wusste, dass es in Adams County noch einige dieser alten Münztelefonzellen gab, aber sie kannte niemanden, der die Dinger benutzte. Während sie überlegte, ob sie rangehen oder den Anrufer lieber aufs Band sprechen lassen sollte, klingelte es noch viermal. Dann drückte sie hastig den Annahmeknopf und meldete sich.
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