Killing time
»Hallo.«
»Thomasina?«, sagte eine fremde Stimme.
»Ja.«
»Hast du meine Nachricht bekommen?«
Erst jetzt fiel Thomasina auf, dass die Stimme irgendwie merkwürdig klang. Ein tiefer, kehliger Bariton.
»Wer ist da?«, fragte sie.
»Ich bin dein heimlicher Bewunderer.«
Ein eisiger Schauer lief Thomasina über den Rücken. Nicht überreagieren. Geh nicht gleich davon aus, dass es ein Irrer ist. Er könnte ja auch Brandon Kelley sein, der romantisch sein will und dich erst als heimlicher Bewunderer umwirbt, ehe er seine wahre Identität lüftet.
»Warum verheimlichst du mir, wer du bist?«
»Ich werde dir sagen, wer ich bin, wenn die Zeit dafür gekommen ist«, antwortete er ihr. »Aber fürs Erste … schlaf schön heute Nacht, meine wunderschöne Thomasina, und träum von deinem heimlichen Bewunderer, der sich danach sehnt, dich zu berühren, dir Liebessonette ins Ohr zu flüstern und dir jede deiner Phantasien zu erfüllen.«
Thomasina stöhnte leise. Sie konnte nicht leugnen, dass die Worte des Mannes sie erregten, weil sie bestimmte Bilder in ihr hervorriefen. Bilder von Brandon und ihr zusammen.
»Bitte, erzähl mir …«
Der Wählton verriet ihr, dass er das Gespräch beendet hatte.
Thomasina schloss die Augen und seufzte. Ihr Freitagabend war am Ende also doch nicht so langweilig und ereignislos, wie sie gedacht hätte. Ob er heute Abend noch einmal anrief? Nein, voraussichtlich nicht. Aber vielleicht morgen Abend. Eigentlich wünschte sie sich, Brandon würde einfach offen sein und sie um eine Verabredung bitten. Andererseits fand sie es romantisch und ziemlich süß von ihm, dass er sich einen so ausgefallenen Weg gesucht hatte, um sie auf altmodische Weise zu umwerben.
Aber wenn es nicht Brandon ist? Nein, natürlich war er es. Wer sollte es sonst sein?
Sie nahm das Telefon mit zurück zum Sofa und legte es neben die Fernbedienung, bevor sie sich wieder hinsetzte. Einige Minuten lang starrte sie auf den stummen Fernseher und dachte nach. Falls ihr heimlicher Bewunderer nicht Brandon Kelley war, wer könnte er sonst sein? Ihr fiel kein anderer Mann ein, der etwas so Unkonventionelles und Romantisches tun würde.
Es muss Brandon sein.
Sie drückte auf die Stummschalttaste der Fernbedienung, um den Ton wieder einzustellen, und versuchte, sich wieder auf die Sendung zu konzentrieren, die sie vorhin eingeschaltet hatte. Aber ihre Gedanken schweiften immer wieder ab. Dabei waren sie recht wirr und unentschieden. Mal träumte sie von Brandon, mal fragte sie sich, ob sie angesichts des Spiels, das er mit ihr veranstaltete, geschmeichelt oder irritiert sein sollte.
Jim schlang ein Wurst-Käse-Sandwich herunter und trank eine Dr. Pepper, während er überlegte, ob er sich lieber noch einmal rasieren sollte, bevor er zum Adams Landing Hotel fuhr und Agent Patterson zu einem späten Treffen mit Sheriff Granger abholte. Der FBI -Agent war innerhalb nicht einmal einer Stunde nach Bernies Anruf hier gewesen. Er kam mit den Tatortermittlern zusammen, obwohl er in seinem eigenen Wagen nach Adams Landing gefahren war, da er mehrere Tage in der Stadt bleiben sollte. Und wenn sie den Fall in einigen Tagen gelöst hätten, würde Patterson wahrscheinlich bis zum Prozess immer mal wieder hin- und herfahren, da Huntsville nur fünfundvierzig Minuten entfernt war. Jim vermutete allerdings, dass dieser Fall nicht so leicht zu lösen war und sie vielleicht sogar Wochen, wenn nicht gar Monate brauchen würden. Bisher hatte er ein paar Theorien, doch bevor er die laut aussprach, wollte er erst mal hören, was Patterson und Bernie heute Abend zu sagen hatten. Bernie wollte vor dem Treffen noch mit ihrem Vater sprechen. Wie viele Dienstjahre würde sie wohl brauchen, bis sie genug Selbstvertrauen entwickelt hätte, dass sie nicht alles mit ihrem Dad besprechen musste, fragte Jim sich. Es war gewiss nicht einfach für sie, ständig im Schatten ihres alten Herrn zu arbeiten und zu leben.
Stephanie Prestons Leiche war auf dem Weg nach Huntsville. Ihre Familie war benachrichtigt. Jim konnte sich gut vorstellen, dass der Anruf bei Sheriff Ed Mays das schwierigste Telefonat gewesen war, das Bernie je geführt hatte. Und nun waren sowohl das FBI als auch die Gerichtsmedizin mit an dem Fall, der zu der Art von Verbrechen zählte, bei der gewöhnlich die Staatspolizei hinzugezogen wurde. Beide Behörden arbeiteten direkt mit dem Sheriff-Büro zusammen, und die erste Pressekonferenz hatte es auch schon gegeben. Bei
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