Killing time
Beerdigung ging.
»Kommen Sie herein, Captain Norton«, winkte R. B. Jim hinein. »Bernie hat Sie ja schon allen vorgestellt außer ihrer Mutter und ihrer Schwester. Die beiden sind in der Küche und machen das Essen fertig.«
Jim betrat das geräumige Familienzimmer, in dem sich die anderen versammelt hatten. Wie das Wohn- und das Esszimmer, in die er von der Diele aus einen ersten Blick werfen konnte, strahlte auch dieser Raum Wärme und Geborgenheit aus. Das Mobiliar war ein Stilmix aus Antiquitäten und rustikalen moderneren Stücken, meist aus dunklem Holz und in erdigen Farben. Vieles hier erinnerte Jim an das Zuhause, in dem er aufgewachsen und glücklich gewesen war. Damals nahm er sein Glück für selbstverständlich. Er hatte alles gehabt, was er sich heute für Kevin wünschte: glücklich verheiratete Eltern, eine kleine Schwester und ein Zuhause voller Liebe.
»Lächeln Sie, Jim«, flüsterte Bernie ihm zu. »Das ist ein Mittagessen und kein Gang zum elektrischen Stuhl.«
Er rang sich ein verhaltenes Lächeln ab und betrat das Familienzimmer. Bernie hatte ihn schon mit allen anderen bekanntgemacht, einschließlich Raymond Longs Mutter Helen, die ihn in diesem Moment mit Adleraugen beobachtete. Er hatte keine Ahnung, weshalb sie so interessiert an ihm war, doch es schien ihm, als hätte sie ihn auf Anhieb unsympathisch gefunden und suchte nun nach einem Grund, um ihre Abneigung zu rechtfertigen.
»Dad, halte du die Unterhaltung in Gang«, sagte Bernie zu ihrem Vater. »Ich muss Mama und Robyn helfen. Das Essen wird in ein paar Minuten auf dem Tisch stehen.«
Jim sah Bernie nach, als sie in die Küche eilte. Sie trug ein mittelbraunes Kostüm, bei dem der Rock bis zur Mitte der Wade reichte, sah aber eigentlich nicht anders aus als die letzten zwei Tage. Alles an ihr – von ihrer unauffälligen Kleidung über ihr Minimum an Make-up bis hin zu dem strengen Pferdeschwanz – war sauber, ordentlich und … nun, um ehrlich zu sein, schlicht. Nicht dass Bernie nicht hübsch wäre. Das war sie durchaus, wenn auch auf eine zurückhaltende Art. Braunes Haar, braune Augen, mittelbrauner Teint, schlichte Kleidung, einfache Frisur. Das einzig Auffällige an Bernie war ihre Körpergröße. Sie war ebenso groß wie der durchschnittliche amerikanische Mann.
R. B. nahm Jim beiseite und sagte: »Bernie hat erzählt, dass Sie Ihren Sohn für einige Wochen zu sich nehmen, solange Ihre Exfrau operiert wird und eine Chemo bekommt.«
»Ja, das stimmt.«
»Ich kann mir ungefähr vorstellen, was Ihrer Exfrau bevorsteht. Bei mir hat man vor ein paar Jahren Prostatakrebs festgestellt.« R. B. grummelte vor sich hin. »Krebs. Das ist ein Wort, das niemand gern im Zusammenhang mit dem eigenen Körper hört.«
»Nein, gewiss nicht.«
»Folgendes, mein Junge«, fuhr R. B. fort und legte Jim seine riesige Hand auf die Schulter. Sie standen sich gegenüber, wobei R. B. Jim um wenige Zentimeter überragte. »Brenda und ich haben uns unterhalten, nachdem Bernie Ihre Lage geschildert hatte, und wir sind beide gerne bereit, die Ersatzgroßeltern für Ihren Sohn zu spielen.«
Jim hatte gar nicht bemerkt, dass er die Luft anhielt, atmete jetzt jedoch langsam aus. »Das ist sehr freundlich von Ihnen und Ihrer Frau, aber …«
R. B. drückte Jims Schulter und sagte so leise, dass nur Jim ihn hören konnte: »Ich sage immer, eine Hand wäscht die andere.« Er sah sich so rasch im Zimmer um, dass Jim sicher war, nur er hätte es bemerkt. »Sie passen auf mein Kind auf und ich auf Ihres.«
»Sprechen Sie von Bernie?«
R. B. nickte. »Nicht dass ich glaube, sie wäre ihrem Job als Sheriff nicht gewachsen. Sie ist mindestens so klug und fähig wie irgendein Mann. Aber sie ist jung und, nun ja, eben eine Frau. Und wir beide wissen, dass eine Frau mit ihrem Herzen und nicht mit ihrem Kopf denkt. Natürlich hat mein Mädchen auch eine Menge gesunden Menschenverstand und sieht viele Dinge genauso wie es ein Mann täte.«
»Macht Ihnen etwas Bestimmtes Sorge?«, fragte Jim.
»Ja, ich bin wegen dieses Mordfalls besorgt«, antwortete R. B. »Das ist eine üble Geschichte, und das wissen wir beide. Und ihr braucht schon großes Glück, wenn daraus kein ungelöster Mordfall wird. Bernie allerdings neigt dazu, sich zu sehr in etwas zu verbeißen, und muss erst noch lernen, wann es Zeit ist aufzugeben. Genau da kommen Sie ins Spiel. Sie bringen die Erfahrung mit, die ihr fehlt. Ich möchte, dass Sie ihr helfen … ihr bei diesem
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