Kim Schneyder
Fahrrad packt und es zum Heck des Lasters schleppt.
Das funktioniert ja prächtig!
Während er mein Rad verstaut, werde ich es mir schon mal auf dem Beifahrersitz gemütlich machen. Ich öffne die Tür – und stoße einen kleinen Überraschungsschrei aus. In dieser Karre gibt es gar keinen Beifahrersitz, sondern bloß einen Kaninchenkäfig, aus dem eine ganze Schar von kleinen Mümmelmännern mir mit vibrierenden Nasenspitzen erwartungsvoll entgegenschaut.
Der Opi hat inzwischen mitbekommen, dass ich mich ans falsche Ende seines Lasters verirrt habe. Er nimmt mich am Arm und führt mich nach hinten, natürlich nicht, ohne unaufhörlich auf mich einzureden. Alles klar, hab schon kapiert. Muss ich eben auf der Ladefläche mitfahren. Auch egal, immer noch besser als diesen Berg mit Muskelkraft zu erklimmen, nicht wahr?
Doch als ich die aufgespreizte Hecktür umrunde, gleich die nächste Überraschung: Der Laderaum des Lasters ist beinahe zur Gänze vollgeräumt mit Kisten, nur am hintersten Ende gibt es noch einen Platz von etwa einem Meter Tiefe. Das wäre auch locker groß genug für mich, das Problem ist nur, dass diese Fläche schon von einem anderen Fahrgast besetzt ist, und das ist nicht etwa die Frau des Bauern, wie man jetzt vermuten könnte, sondern – ein Ziegenbock! Der ist dort festgebunden und glotzt mich jetzt ebenso blöde und misstrauisch an wie ich ihn, und jetzt überkommen mich doch gröbere Bedenken.
Als der Alte merkt, dass ich dem Vieh nicht traue, beginnt er sogleich wieder heftig gestikulierend auf mich einzureden. Ich habe keine Ahnung, was er sagt, vermutlich will er mich mit dem Bock bekannt machen, oder möglicherweise verbietet er mir auch bloß, das Tier während der Fahrt heimlich zu verspeisen, auf jeden Fall klingt es so, als müsste ich keine Angst haben, und zu guter Letzt deutet er auf den Ziegenbock und sagt stolz: »C’est Alfons!«
Das ist anscheinend der Name des Kleinen. Hm, Alfons. Das klingt doch eigentlich ganz niedlich.
Okay, mal kurz überlegen. Mein Fahrrad ist bereits mit Haltegurten an den Seitenwänden festgezurrt, und Alfons ist nicht besonders groß – wie ein Cockerspaniel höchstens –, also sollte ich eigentlich mit ihm fertigwerden, falls er frech wird. Überdies ist er mit einem Strick an der linken Wand festgebunden, und der Opi hat vorsorglich eine leere Holzkiste auf der gegenüberliegenden, rechten Seite für mich bereitgestellt, sodass der Kleine mich eigentlich gar nicht erreichen kann.
Ach, was soll’s, wird schon schiefgehen. Ich gebe mir einen Ruck und dem überraschten Alfons als Zeichen meiner friedlichen Absichten schnell ein paar leichte Klapse auf den Hinterkopf, dann klettere ich auf die Ladefläche und hocke mich auf die Holzkiste.
Der Alte ruft: »Formidable!« und noch eine ganze Menge mehr, dann wirft er die Tür zu und klettert wieder auf den Fahrersitz. Als er Gas gibt, stimmt er gleichzeitig lautstark die Marseillaise an, und ich muss mich mit Händen und Füßen abstützen, um nicht von meiner Kiste zu fallen. Alfons geht es nicht besser, er stemmt auch alle viere in den Boden, und dann fahren wir endlich.
Und so schlecht ist das jetzt eigentlich gar nicht.
Meine Sitzposition ist zwar nicht die bequemste, weil ich mich auf der wackeligen Kiste weiterhin abstützen muss, aber für die paar Minuten Fahrt ist das völlig okay. Und wenn ich mich ein bisschen hochstemme, kann ich sogar unauffällig beobachten, wann wir Sepia und Bodo überholen, um mir dann in Ruhe alles Weitere zu überlegen. Das Wichtigste jedoch: Ich werde diesen Berg hinaufbefördert, ohne einen Tropfen Schweiß zu verströmen.
Gar nicht mal übel.
»Na, Alfons, geht’s uns beiden nicht gut?«, sage ich zu Alfons.
Der guckt zwar immer noch ein bisschen misstrauisch, aber gleichzeitig schnuppert er auch ganz aufgeregt in meine Richtung. Das wundert mich nicht, vermutlich hat er noch nie in seinem Leben Angel gerochen, oder Sonnencreme, oder auch nur Seife, so wie ich sein singendes Herrchen einschätze. Der freundliche Klang meiner Worte macht Alfons jetzt ein bisschen mutiger, er rückt noch näher an mich heran und schnuppert dabei immer gieriger.
»Ja, ja, bist ein Guter«, sage ich und tätschle sein kleines Köpfchen, und jetzt scheint er endgültig zu kapieren, dass ihm von mir keinerlei Gefahr droht. Er kommt jetzt so nahe, wie es sein Strick gerade noch zulässt – das ist bis zu meinen Beinen –, und schleckt mir zum Zeichen seiner
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