Kim Schneyder
vom Gas, und sie entschuldigte sich auch gleich dafür: »Die Schweizer sind gnadenlos, die kassieren für jeden Stundenkilometer zu viel Beträge, dass einem schlecht wird.«
Natürlich rächten wir uns für soviel Kleinmut, indem wir in der gesamten Schweiz an nur einer Raststation stehen blieben, und auch da konsumierten wir nur Kaffee. Aber dann, auf italienischem Staatsgebiet, ging es so richtig los: Gleich bei Como rein in eine Raststation – italienischer Espresso kann süchtig machen –, ab Mailand lieferte sich Sepia dann ein Duell mit einem rassigen Alfa-Fahrer, der denken musste, sie wäre allein im Wagen, weil Sonja und ich vor lauter Angst tief in den Sitzen versanken, an Genua vorbei und bei Savona wieder ein Stopp, erneut Espresso trinken und köstliche Tramezzini bunkern, und schließlich ab in Richtung Côte d’Azur .
Und da fiel eines auf: Eine zunehmende Dichte an superteuren Autos, die anscheinend alle dasselbe Ziel hatten wie wir, und das darf man sich jetzt nicht so vorstellen wie bei uns zu Hause, wo meistens alte Knacker in diesen PS -Schleudern hocken, um damit anzugeben. Je näher wir Monaco kamen, desto mehr drückten die in ihren Schlitten auf die Tube. Und waren zuvor noch wir die wilde Truppe gewesen, die mittels Lichthupe die Schnarchnasen von der linken Spur gescheucht hatte, so geschah es jetzt immer öfter, dass Sepia von zielstrebigen Porsches und Ferraris höflich, aber bestimmt zur Seite komplimentiert wurde, weil sie zum Beispiel in einem Tunnel, in dem achtzig erlaubt war, nur hundertvierzig fuhr.
»Die fahren wie die Verrückten hier!«, fauchte sie dann jedes Mal, und Sonja und ich gaben uns alle Mühe, sie wieder zu beruhigen, indem wir auf die landschaftliche Schönheit oder ähnliche Belanglosigkeiten verwiesen.
Mittlerweile ist es halb sechs, und wir nähern uns dem Ziel unserer Reise. Schon bei der Autobahnabfahrt spüre ich ein leichtes Kribbeln in der Magengegend, dann können wir das betörend blaue Meer sehen, das friedlich in der Nachmittagssonne glitzert. Auch die eine oder andere Jacht wird sichtbar, und wir kommen an einem Hotel vorbei, das anscheinend für schwindelfreie Menschen gebaut worden ist, hoch oben an einem Felsen mindestens dreihundert Meter über dem Meeresspiegel. Dann schlängelt sich eine Serpentinenstraße die Steilküste hinunter, und schließlich kommen wir auf die Moyenne Corniche , die Küstenstraße, die oberhalb von Monaco verläuft. Und endlich ist es so weit: Wir passieren die Staatsgrenze des Fürstentums Monaco.
Wir drehen neugierig die Köpfe. Auf Anhieb fällt auf, wie sauber und gepflegt hier alles ist, die Straßen, die Gehwege, die Häuser, einfach alles. Voller Staunen nähern wir uns einem kleinen Kreisverkehr, von dem eine Abzweigung nach Monte Carlo führt, und das Navi weist uns treffsicher den Weg.
»So, als Erstes müssen wir das Casino finden«, erklärt Sepia. »Dorthin gibt es sicher Wegweiser, und von da müssten wir dann direkt zum Hafen kommen.«
Das Casino ist nicht schwer zu finden, wir brauchen nur den zahlreichen Hinweistafeln zu folgen, und als wir vom Boulevard des Moulins zum Place du Casino hinunterfahren, halten wir fasziniert den Atem an: Monaco ist an sich schon sehenswert, aber das Casino ist einfach umwerfend – und so ganz nebenbei parken auf dem Platz davor schätzungsweise die Hälfte der Wagen, die uns auf den letzten hundert Kilometern überholt haben.
»Wow«, haucht Sepia. Ich habe sie noch nie so beeindruckt erlebt. »Habt ihr so etwas schon mal gesehen?«
»Nein, bis jetzt noch nicht«, gestehe ich.
»Ich auch nicht«, sagt Sonja.
»Wieso du auch nicht?« Sepia zieht argwöhnisch die Augenbrauen zusammen. »Ich dachte, du warst schon öfter hier!«
»Also, genau genommen war ich erst ein Mal hier«, sagt Sonja und bekommt dabei ein bisschen Farbe im Gesicht. »Aber da war ich erst zwölf, und meine Eltern hatten nicht genug Geld für einen längeren Aufenthalt, also sind wir damals eher … durchgefahren.«
»Wie bitte, ihr seid durchgefahren? Und wieso hast du dann so große Töne gespuckt, von wegen, was man hier so alles anstellen kann?«, will Sepia wissen.
»Das weiß ich von einer Freundin, aber die hat mir alles haarklein erzählt«, gibt Sonja mit leichtem Schmollen zurück.
»Das heißt also, du kennst dich hier um nichts besser aus als wir?«, bringe ich es auf den Punkt.
»Nein, so würde ich es nicht sagen«, schüttelt Sonja sofort den Kopf. »Immerhin kenne ich
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