Kim Schneyder
nicht alles.
»Hast du eigentlich eine Ahnung, wo Sepia steckt?«, wechsle ich sicherheitshalber das Thema.
»Die wollte in den anderen Saal, wo die Slotmaschinen stehen«, antwortet Sonja.
»Was sind Slotmaschinen?«
»Das sind Geldspielautomaten.«
»Du meinst diese einarmigen Banditen wie in den Filmen?«
»Keine Ahnung, ob die einarmig sind, auf jeden Fall sind es Automaten«, erwidert sie ungeduldig, weil das nächste Spiel schon wieder losgeht.
Auch der haarige Mann setzt jetzt mit, und dabei beugt er sich vor und streift meine Schulter mit seinem nackten Bauch. Unwillkürlich rieselt ein Schaudern durch meinen Körper. Höchste Zeit, dass ich hier wegkomme, vom Spielen habe ich ohnehin genug. Ich schiebe Sonja meine restlichen Jetons hin.
»Setz die für mich. Ich sehe inzwischen mal, wo Sepia steckt«, sage ich und stehe auf.
Sonja guckt verwirrt. »Setzen? Auf was denn?«
»Egal, was dir gefällt.«
»Ganz wie du meinst«, sagt sie achselzuckend und legt zwei meiner Jetons auf ihr bescheuertes Schwarz.
Aus den Augenwinkeln kann ich noch sehen, wie der haarige Bauch sich auf meinen frei gewordenen Stuhl setzt. Für einen kurzen Moment fühle ich mich wie eine Verräterin, weil ich Sonja mit dem Mann allein gelassen habe. Und wenn schon, sage ich mir dann, es zwingt sie ja niemand weiterzuspielen.
Neugierig marschiere ich in den zweiten Saal. Die einarmigen Banditen sind großteils gar nicht einarmig, dafür aber so reichlich vorhanden, dass es ein bisschen dauert, bis ich Sepia gefunden habe. Sie hockt vor einem dieser Automaten, und schon von Weitem kann man sehen, dass Fortuna sie an diesem Abend genauso wenig in die Arme geschlossen hat wie mich.
»Hi, Sepia. Wie sieht’s aus?«, frage ich dennoch.
»Beschissen!«, antwortet sie säuerlich. »Diese Dinger sind die reinsten Raubritter, ich hab schon vierhundert reingebuttert.«
»Ging mir genauso, drüben beim Roulette.« Ich drücke mitfühlend ihre Schulter und gucke eine Weile zu, ohne zu verstehen, worum es bei dem Spiel geht. Dann bin ich froh, als es auch ihr reicht.
Sonja sitzt immer noch am Roulettetisch, als wir zurückkommen, aber wenigstens ist der haarige Bauch inzwischen verschwunden.
»Nanu, ist dein neuer Freund etwa schon pleite?«, frage ich. »Das ging ja schnell.«
»Wohl kaum!« Sie schüttelt ein bisschen fassungslos den Kopf. »Das hättet ihr sehen sollen: Zwischendurch hat er an zwei Tischen gleichzeitig gespielt, die Croupiers haben einfach weiter für ihn gesetzt. Er hat in Rekordzeit ein Vermögen verloren, aber das schien ihn überhaupt nicht zu kümmern. Der muss wirklich eine Menge Geld haben.«
»Nanu, ein reicher neuer Freund? Habe ich etwas verpasst?« Sepias Blick tanzt hektisch zwischen uns hin und her.
»Vergiss es«, winke ich ab. »Wenn du den siehst, verzichtest du gerne auf sein Geld. Und, Sonja, hast du wenigstens gewonnen?«, erkundige ich mich dann.
»Na ja, ich trete irgendwie auf der Stelle. Wird nicht mehr und auch nicht weniger.«
»Kein Wunder bei deiner Spieltaktik.« Ich stoße demonstrativ die Luft aus. »Langsam finde ich’s hier langweilig. Weißt du, was ich machen würde?«
»Ich kann’s mir vorstellen: Auf die Fünfzehn setzen, stimmt’s?«
»Genau, und zwar alles, hopp oder topp. Entweder wir gehen mit einem Batzen Geld hier raus, oder wir haben gelernt, dass wir nie wieder ein Casino betreten sollten.«
Sonja zögert, dann gibt sie sich einen Ruck.
»Du hast recht«, nickt sie, »Alles oder nichts!« Damit schiebt sie alles, was sie hat, über den Tisch.
»Quinze!«, sagt sie, und ihre Stimme klingt dabei verdächtig wackelig.
Ein Raunen geht durch die Anwesenden, und gemeinsam halten alle die Luft an.
Eine Minute später marschieren wir an der Rezeption vorbei. Die Zicke sitzt immer noch da, und natürlich erkennt sie an unseren hängenden Köpfen sofort, dass wir verloren haben.
Ihr gemeines Grinsen bringt mich gleich wieder auf hundertachtzig.
»Der wird das Grinsen schon noch vergehen, wenn die Casinoleitung meinen Beschwerdebrief liest«, sage ich grimmig.
»Ja genau, deine Beschwerde«, erinnert sich Sonja an meine Bemerkung von vorhin. »Was hast du überhaupt geschrieben?«
Ich erzähle es ihr, woraufhin sie zu meiner Verwunderung in verkrampftes Schweigen verfällt.
»Was ist, findest du es schlecht? Zu streng, oder wie?«, frage ich.
Irgendetwas passt nicht, das kann ich ihr ansehen.
»Nein, nein, ist schon in Ordnung.« Sie findet nur mühsam
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