Kim Schneyder
und war den Tränen nahe, wobei ich mir nicht sicher war, ob das überhaupt funktioniert hätte. Ich warf einen Hilfe suchenden Blick auf Edgar. Der zog sofort die richtigen Schlüsse und reagierte hervorragend.
Als Erstes deutete er auf seinen rechten Mundwinkel. Voller Entsetzen begriff ich, dass soeben ein dünner Speichelfaden aus meinem lief, und in Großaufnahme sah das aus, als würden die Niagarafälle meinem Mund entspringen. Hastig drehte ich mich um und wischte mir den Sabber weg. In der Zwischenzeit kam Edgar auf die Bühne gestürzt, riss mir das Headset vom Kopf, wodurch man mit meiner Frisur jetzt auch noch die Folgen eines Hurrikans hätte demonstrieren können, und lachte ins Mikro: »So, meine Damen und Herren, meine Kollegin hat Ihnen gerade ein paar anschauliche Beispiele dafür geliefert, wie man eine Geschäftsanbahnung gründlich verbocken kann. Einen Applaus für Heidi!«
Wie bitte? Kollegin? Seit wann waren wir Kollegen? Er war mein Lakai und bekam noch nicht einmal Geld dafür, und ich hatte gar nichts verbockt, sondern dieser Schönheitsamokläufer mit seinem verdammten Gift!
Das Publikum lachte jedenfalls und spendete Applaus, und ich war dann sogar noch froh, dass Edgar so elegant die Kurve kratzte, denn ich hätte ohnehin nichts Sinnvolles mehr hervorgebracht. Und Edgar rettete nicht nur kurzfristig die Situation, sondern er brachte auch noch den Rest des Abends bravourös über die Bühne, indem er sich unauffällig meine Spickzettel schnappte und die wesentlichen Punkte meines Vortrags präsentierte, wobei er mich als naturblondes Anschauungsobjekt benutzte, an dem er die haarsträubendsten Fehlleistungen zwischenmenschlichen Verhaltens demonstrieren konnte.
Als die Veranstaltung endlich vorbei war, gab es einen donnernden Applaus, und die Firmenleitung beglückwünschte Edgar zu seinem erkenntnisreichen Vortrag und mich zu meiner schauspielerischen Leistung, und verbittert musste ich akzeptieren, dass Edgar die Hälfte meiner Gage für sich beanspruchte. Weniger fair war es allerdings, dass er in weiterer Folge meinen Job zur Gänze übernahm und fortan die fetten Aufträge, die nach dem Erfolg des ersten Seminars reihenweise eintrudelten, gleich selbst übernahm, aber ich hatte keine Möglichkeit, das zu verhindern, dauerte es doch zwei volle Monate, bis ich wieder die Kontrolle über meine Sprechwerkzeuge erlangte. Und auch später, als ich wieder Herrin meiner Sprache war, musste ich zur Kenntnis nehmen, dass meine Karriere als Motivationstrainerin gelaufen war, weil dieses traumatische Erlebnis sich inzwischen zu einer hartnäckigen Phobie ausgewachsen hatte und es mir seither unmöglich ist, vor größeren Gruppen zu sprechen, ohne sogleich ins Stottern zu geraten.
Also musste ich kleinere Brötchen backen, und ich nannte mich auch nicht mehr Motivations-, sondern Persönlichkeitstrainerin, was bedeutet, dass ich nunmehr Einzelpersonen dahingehend berate, was für ihr Image gut ist und was weniger. Der Nachteil daran ist, dass es dabei finanzielle Obergrenzen gibt und die Großzügigkeit meiner Kunden je nach Einkommenssituation stark variiert. Meine Klientel ist dabei bunt gemischt. Es finden sich sowohl angehende Jungmanager darunter, die von mir wissen wollen, wie sie vor ihren Chefs verbergen können, dass sie eigentlich lieber Friseurgehilfe geworden wären, wie auch Anlageberater, die sich von mir darin schulen lassen, wie sie am weltmännischsten ein Produkt verkaufen können, von dem sie im Grunde genommen keine Ahnung haben, und einmal kamen sogar drei pubertierende Jungs zu mir, die ihr Taschengeld zusammenlegten, um von mir zu lernen, wie man am besten Mädchen anbaggert. Aber was soll ich sagen, Geld stinkt nicht, und so habe ich mir nach und nach einen kleinen Kundenstock aufgebaut, doch große Sprünge gelangen mir bislang noch nicht, darum wäre es auch höchste Zeit, endlich mal an einen richtig dicken Fisch heranzukommen – von denen es hier in Monaco ja bekanntlich nur so wimmelt.
» So viel ist es auch wieder nicht«, wiegele ich also ab, ohne Bodo gleich in alle Details einzuweihen. »Und du weißt ja, Sozialversicherung, Steuer und das ganze Drumherum, das will schließlich auch noch alles bezahlt werden. Aber genug von mir«, wechsle ich dann das Thema, »was treibst du eigentlich so, wenn du nicht gerade in der Sonne liegst?«
Bodo blinzelt überrascht, als hätte er nicht mit dieser Frage gerechnet.
»Ich bin … äh … Filmproduzent«, sagt er
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