Kind 44
Ihre Haare, ihre Kleidung waren ganz der allgemeinen Mode angepasst, wenn man es denn überhaupt Mode nennen konnte. Ganz offensichtlich versuchte sie nicht die Aufmerksamkeit von Männern zu erregen, eine Tatsache, die sie für den Doktor umso attraktiver machte. Sie wäre eine echte Herausforderung. In jüngeren Jahren war er ein ziemlicher Schürzenjäger gewesen, in gewissen gesellschaftlichen Kreisen sogar ein berüchtigter.
Beflügelt von den Erinnerungen an frühere Erfolge lächelte er die Frau an.
Raisa musterte verstohlen seine gelblichen Zähne, die zweifellos von jahrelangem Kettenrauchen herrührten, und lächelte zurück. Sie hatte schon damit gerechnet, dass der MGB jemanden vorbeischicken würde, obwohl man sie nicht vorgewarnt hatte. Sie wartete darauf, dass der Mann sich vorstellte.
»Ich bin Doktor Zarubin. Man hat mich geschickt, um nach Leo zu sehen.«
»Ich bin Raisa, Leos Frau. Können Sie sich ausweisen?«
Der Doktor nahm seine Mütze ab, suchte nach seinem Ausweis und zeigte ihn ihr. »Nennen Sie mich doch bitte Boris.«
In der Wohnung brannten Kerzen. Raisa erklärte, dass es im Moment nur unregelmäßig elektrisches Licht gab, ein ständiges Problem in allen Etagen über der zehnten. Immer wieder fiel der Strom aus, manchmal für eine Minute, manchmal aber auch für einen Tag. Sie bat um Entschuldigung, dass sie nicht sagen konnte, wann das Licht wieder brennen würde.
Als wolle er einen Scherz machen, antwortete Zarubin:
»Er wird es schon überleben. Er ist ja keine Pflanze, die Licht braucht. Solange man ihn schön warm hält.«
Raisa fragte den Arzt, ob er etwas trinken wolle, vielleicht etwas Heißes, wo es draußen doch so kalt war.
Er nahm an und berührte, als sie ihm den Mantel abnahm, ihren Handrücken.
Der Doktor folgte ihr in die Küche, lehnte sich mit den Händen in den Hosentaschen an die Wand und sah ihr zu, wie sie Tee machte.
»Das Wasser hat gerade erst gekocht.«
Sie hatte eine angenehme Stimme, sanft und ruhig. Sie goss in einer kleinen Kanne lose Teeblätter auf, dann füllte sie das Getränk in ein hohes Glas. Der Tee war stark, beinahe schwarz, und als das Glas halb voll war, wandte sie sich zu ihm um.
»Wie stark hätten Sie ihn denn gerne?«
»So stark es geht.«
»So?«
»Vielleicht verdünnen Sie ihn doch etwas.«
Während sie aus dem Samowar Wasser hinzugoss, ließ Zarubin seine Augen an ihrem Körper hinabwandern, verweilte bei den Umrissen ihrer Brüste, ihrer Taille. Sie hatte praktische Kleider an, ein graues Baumwollkleid, grobe Strümpfe und über der weißen Bluse eine Strickjacke. Zarubin fragte sich, warum Leo seine Position nicht ausgenutzt hatte, um sie in ausländischem Luxus zu kleiden. Aber selbst diese massengefertigten, derben Kleider machten sie nicht weniger anziehend.
»Was ist mit Ihrem Mann?«
»Er hat Fieber. Sagt, dass ihm kalt ist, obwohl er sich ganz heiß anfühlt. Er hat Schüttelfrost. Und er will nichts essen.«
»Wenn er Fieber hat, dann ist es auch besser, wenn er fürs Erste nichts isst. Allerdings könnte seine Appetitlosigkeit auch von seinem Amphetaminkonsum herrühren. Wissen Sie etwas darüber?«
»Wenn das mit seiner Arbeit zu tun hat, weiß ich darüber nichts.«
»Haben Sie vielleicht irgendwelche Veränderungen an ihm bemerkt?«
»Er isst unregelmäßig, bleibt die halbe Nacht weg.
Aber das verlangt seine Arbeit wohl von ihm. Mir ist aufgefallen, dass er, wenn er viel gearbeitet hat, manchmal ein bisschen abwesend ist.«
»Vergisst er Dinge?«
Sie reichte dem Arzt sein Glas. »Möchten Sie Zucker?«
»Ein bisschen Marmelade wäre nicht schlecht.«
Sie griff ins oberste Regal, wobei sich die Bluse am Rücken ein wenig hochschob und einen Streifen makelloser weißer Haut freigab. Zarubin merkte, wie ihm der Mund trocken wurde. Sie holte ein Glas mit dunkelroter Marmelade herunter, schraubte den Deckel ab und reichte dem Doktor einen Löffel. Er nahm sich einen Klecks und schob ihn sich langsam in den Mund.
Dann trank er ein Schlückchen Tee, genoss die Süße der sich auflösenden Marmelade und bedachte Raisa mit einem tiefen Blick. Sie errötete. Er sah, wie sich ein roter Fleck über ihren ganzen Hals ausbreitete.
»Danke.«
»Vielleicht möchten Sie ihn jetzt untersuchen?«
Sie verschloss das Glas wieder, stellte es auf die Anrichte und ging voraus zum Schlafzimmer. Zarubin blieb stehen.
»Erst würde ich gern meinen Tee austrinken. Ich bin nicht in Eile.«
Sie war gezwungen
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