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Kind der Hölle

Kind der Hölle

Titel: Kind der Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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aufloderten, ging Kim endlich ins Haus.
    Die Veränderungen in der Küche fielen ihr sofort ins Auge: keine aufgestapelten Kartons mehr an der Wand, alles hatte mühelos in den geräumigen Einbauschränken Platz gefunden. Der ganze Raum war geschrubbt, sogar die Rostflecken im Spülbecken waren verschwunden. Ein funkelnagelneuer Kühlschrank ersetzte das uralte Modell, das sie aus Shreveport mitgebracht hatten, und der Herd von anno dazumal, mit dem ihre Mutter sich am Vortag abgeplagt hatte, war einem ultramodernen Gerät mit sechs Kochplatten und großem Backofen gewichen, das sogar einem Restaurant Ehre gemacht hätte.
    »Mom?« rief Kim. »Wo bist du?«
    »Im Atelier.«
    Auch das Atelier, der ehemalige Wintergarten, hatte sich seit gestern verwandelt. Alle Fenster waren geputzt, alle Malutensilien ordentlich aufgeräumt. Molly saß im Laufstall und spielte mit einer Puppe, während ihre Mutter auf einem Hocker saß einen Kohlestift in der Hand, und kritisch eine Leinwand auf der Staffelei musterte. Sie drehte sich aber sofort nach Kim um.
    Das Mädchen bemerkte, daß die Veränderungen sich nicht nur auf Haus und Garten beschränkten. Morgens hatte ihre Mutter angespannt und verhärmt ausgesehen, doch jetzt funkelten ihre Augen lebhaft, und sie wirkte um Jahre jünger.
    »Schau dir meinen Entwurf an und sag mir, was du davon hältst!«
    Kim gehorchte ohne große Begeisterung, weil sie im Augenblick andere Dinge im Kopf hatte als die Arbeiten ihrer Mutter. Gleich darauf starrte sie jedoch verblüfft und fasziniert auf die Leinwand.
    Es war die Skizze eines Gartens, aber nicht des verwilderten Gartens vor den Fenstern, sondern einer kunstvoll gestalteten und perfekt gepflegten Anlage. Kim hatte das gespenstische Gefühl, einen Blick in die Vergangenheit zu werfen. Ihre Mutter hatte den Garten so gezeichnet, wie er vor einem Jahrhundert ausgesehen haben mochte, und in der Gestalt, die mittendrin stand, konnte Kim mühelos ihren Vater erkennen.
    Aber nicht jenen Vater, der seiner Familie seit Jahren das Leben zur Hölle gemacht hatte. Hier war er so skizziert, wie sie ihn soeben erlebt hatte – ausgeglichen, heiter, lächelnd. Folglich war sie nicht die einzige, der diese plötzliche Veränderung aufgefallen war. Auch ihre Mutter hatte die Verwandlung bemerkt. »Was hat sich ereignet?« fragte sie, ohne ihren Blick von der Person auf der Leinwand zu wenden. »Kannst du mir erklären, was hier eigentlich los ist? Heute morgen …«
    »Mir kommt es so vor, als sei seit heute morgen eine ganze Ewigkeit vergangen«, erwiderte Janet versonnen, und auch sie betrachtete die Gestalt, die sie skizziert hatte. »Letzte Nacht ist mit deinem Vater offenbar eine Wandlung vorgegangen … Er scheint endlich aufgewacht zu sein.« Mühsam nach Worten suchend, berichtete sie von den neuesten Ereignissen. »Er hat den ganzen Tag geschuftet«, schloß sie. »Ein Lieferwagen brachte den Kühlschrank und Herd, und nachdem Ted mir beim Aufräumen der Küche geholfen hatte, machte er sich draußen an die Arbeit. Du hast ja mit eigenen Augen gesehen, was er schon geleistet hat.«
    Als Kim wenige Minuten später in ihr Zimmer ging, schwirrte ihr der Kopf. Heute morgen war die Stimmung im Haus hochexplosiv gewesen.
    Ihr Vater war verschwunden gewesen, ihre Mutter fest entschlossen, ihn endlich zu verlassen.
    Und nun war alles ganz anders.
    Aber wie lange würde dieses scheinbare Idyll anhalten?
    Kim war außerstande, den Beteuerungen ihrer Eltern Glauben zu schenken.
    Sie wußte, daß etwas nicht stimmte.
    Sie wußte, daß etwas ganz und gar nicht in Ordnung war.

18. Kapitel

    »Wie weit ist es denn noch?« quengelte Luke Roberts.
    Jared schaute sich verunsichert um. Als sie vor einer halben Stunde aufgebrochen waren, hatte er eigentlich zunächst nach Hause gehen wollen, um – wie vergangene Nacht unter Scouts Führung – von der Garage aus in den Wald vorzudringen. Dann hatte er jedoch beschlossen, auf diesen Umweg zu verzichten und die Hütte direkt vom östlichen Stadtrand aus zu erreichen. Dabei hatte er freilich nicht bedacht, daß die vielen Waldpfade sich wie ein Ei dem anderen glichen, so daß ein Unkundiger in diesem Labyrinth leicht die Orientierung verlieren konnte. Kein Wunder, daß Luke immer skeptischer dreinschaute, auch wenn Jareds grimmige Miene ihn davon abhielt, seine Zweifel laut zu äußern.
    Vor einer Viertelstunde, an einer Kreuzung, hatte Jared befürchtet, sich hoffnungslos verirrt zu haben, doch von einer Sekunde

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