Kind der Hölle
Conway.
Jakes Mutter schaute zu dem Mann empor, der drohend vor ihr stand. »Ich hab’ keine Angst vor Ihnen, und ich hob’ auch keine Angst vor dem, mit dem Sie einen Pakt geschlossen haben.« Sie intonierte neue Beschwörungen.
George Conway entzündete ein Streichholz, das sein Gesicht erhellte, und trat einen Schritt zurück.
Mit völlig ausdrucksloser Miene warf er das Streichholz in die Benzinpfütze um Eulalie herum. Unter gespenstischem Zischen schossen die ersten Flammen empor, und Conway wich vor der Hitze noch einige Schritte zurück.
Jakes Augen weiteten sich vor Entsetzen, und er hielt sich den Mund mit beiden Händen zu. Er wollte losrennen und seine Mama aus den Flammen retten, aber seine Muskeln gehorchten ihm nicht. Zur Salzsäule erstarrt, spürte er eine heiße Flüssigkeit zwischen den Beinen, doch die Entleerung seiner Blase war ein reiner Reflex, der nichts an der Lähmung des ganzen Körpers zu ändern vermochte. Jake konnte nicht einmal seine Augen von dem gräßlichen Anblick losreißen.
Eulalie Cumberland gab keinen Laut von sich, als ihre Kleidung Feuer fing, und sie versuchte auch nicht, sich aus den Flammen zu retten. Sie griff nur nach zwei Gegenständen und hielt sie hoch. In der linken Hand hatte sie die Puppe, deren Hals in einer Schlinge baumelte.
In der rechten Hand hatte sie das Messer.
George Conway und Jake beobachteten, wie sie das Messer in die Puppe stieß und die dünne Baumwolle aufschlitzte. Aus dem Bauch der Puppe quollen die Eingeweide des Frosches hervor. Bis in Kopfhöhe von Flammen umzingelt, hielt Eulalie immer noch die Puppe in die Höhe. Die blutigen Innereien glänzten im Feuerschein, und George Conway starrte sie mit schreckensweit aufgerissenen Augen an.
Eulalie Cumberland begann zu lachen.
Es war ein grauenerregendes, schallendes Gelächter, das in der Nachtluft widerhallte, auch nachdem sie bereits in den Flammen zusammengebrochen war.
Jake, der hilflos mit ansehen mußte, wie seine Mutter verbrannte, zitterte wie Espenlaub. Auch als das Feuer langsam erlosch, harrte er in seinem Versteck aus und beobachtete, wie George Conway Eulalies sterbliche Überreste in einer dicken Decke verstaute und mit dem Bündel auf dem Rücken im Haus verschwand.
Immer noch verweilte Jake am Tatort.
Er versuchte sich einzureden, daß das alles nicht wirklich passiert sein konnte, daß es nur ein schlimmer Alptraum war.
Bald würde er in der Hütte aufwachen, und seine Mama würde am Herd stehen und die Hafergrütze zubereiten, die es immer zum Frühstück gab.
Erst als die Sonne aufging, trat Jake den Heimweg an. Drei Tage und drei Nächte verkroch er sich in der Hütte, und als die Nonne auftauchte und wissen wollte, wo seine Mutter sei, erzählte er ihr nicht, was er in jener Nacht gesehen hatte.
Er erzählte keiner Menschenseele davon.
Doch als er erfuhr, daß Georg Conway sich in der Magnolie hinter dem großen Haus erhängt und den Bauch aufgeschlitzt hatte – als man ihn fand, hielt er immer noch das Messer umklammert -, da hörte Jake etwas.
Er hörte seine Mama lachen.
Er hatte sofort gewußt, warum sie lachte: weil sie Conway, ihren Mörder, letztlich doch besiegt hatte. Aber ihre Warnung, daß man das Böse spüren könne, hatte er nie verstanden.
Erst in der letzten Nacht, als seine Hunde zu heulen begannen.
Da wußte er zum erstenmal, was seine Mama gemeint hatte.
Er spürte etwas.
Etwas Böses.
Etwas, das irgendwo in der Dunkelheit lauerte, außerhalb des Lichtkegels seiner Öllampe.
Unbegreiflicherweise hatte er nicht einmal seine Hunde auf den Unbekannten gehetzt. Eine innere Stimme hatte ihm geraten, sie in der Hütte zu lassen.
Heute nachmittag, bevor er auf den See hinausgerudert war, hatte er sie allerdings draußen angekettet. Doch noch während er sein Angelzubehör in das kleine Boot warf und es ins Wasser schob, überlegte er, ob er die Hunde nicht doch lieber in der Hütte einsperren oder mitnehmen sollte. Bei dem strahlendem Sonnenschein kamen ihm seine Befürchtungen dann doch übertrieben vor. Was sich auch immer hier während der Nacht herumgetrieben hatte, war längst wieder verschwunden. Vielleicht hatte er sich ja alles auch nur eingebildet, weil er nach seinem eigenen mitternächtlichen Ausflug nervös gewesen war, obwohl er nichts Schlimmes getan hatte. Ganz im Gegenteil, er hatte der Familie einen Gefallen erwiesen: wenn diese Conways auch nur ein bißchen Verstand besaßen, würden sie ihre Sachen packen und dorthin
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