Kind des Bösen: Psychothriller (German Edition)
schloss den Wagen ab. Eigentlich hatte ich gar nicht vor, mit ihr sprechen. Ich wollte einfach nur reingehen und Rachel und unseren Sohn besuchen. »Im Großen und Ganzen wissen wir jetzt, was passiert ist. Wir glauben nicht, dass es überhaupt jemals ein Muster oder einen Code gegeben hat. Es war alles eine Finte.«
»Ich glaube, das ist gut so, jedenfalls in gewisser Hinsicht.«
»Warum gut?«
»Weil das der Schluss ist, zu dem mein Team und ich nach Durchsicht der Daten auch gekommen sind. Wir konnten keine Hinweise auf eine bestimmte Abfolge finden.«
Ich nickte.
Nur eine Finte.
In den letzten Tagen hatte ich Zeit gehabt, mir den ganzen Fall immer wieder durch den Kopf gehen zu lassen, kam aber nicht weiter. Wenn wir Miller Glauben schenkten, dann war er für das Produzieren und Liefern von Snuff-Movies, eine möglichst abwechslungsreiche Sammlung, bezahlt worden, ohne dass es eine andere Verbindung zwischen dem General und ihm gegeben hätte. Daher konnte er gar keinen Einfluss darauf gehabt haben, welche Opfer Miller sich aussuchte oder wo oder wann diese Morde verübt wurden. Wenn es den General gab, konnte es also kein Muster geben. Wenn nicht, dann leugnete Miller weiterhin, die Briefe verschickt zu haben oder etwas von einem Code zu wissen. Und das ergab keinen Sinn.
Trotzdem ging es mir nicht aus dem Kopf.
Ich sagte: »Dann haben Sie also gar nichts gefunden?«
»Nichts, was hilfreich wäre. In jeder ausreichend großen Menge von Daten und Variablen lassen sich Muster finden, aber wir konnten nichts Signifikantes erkennen. Wir haben aber trotzdem festgehalten, was wir gefunden haben, mit allen Clustern und Anomalien.«
»Danke.« Ich stutzte. »Anomalien?«
»Ach, nichts Aufregendes. Nur die Stellen mit ungewöhnlichen Datenpunkten. Nummer drei zum Beispiel, ›SP‹. Hier gab es eine auffällige Variable, nämlich die ethnische Zugehörigkeit. Bei Nummer acht, ›MW‹, ist es der Ort, nämlich, dass es in einem Gebäude passierte. Und so weiter. Und da ich die Unterlagen jetzt gerade noch einmal durchgehe … na ja, es gibt noch ein paar andere, aber nicht viele.«
Ich nickte stumm, verstand, worauf sie hinauswollte. Sandra Peacock, die einzige Schwarze unter den Ermordeten, und Marie Wilkinson, die Einzige, die in einem Gebäude ermordet wurde. Und so weiter. Die Art offenkundiger Anomalien, die jeder wahllose Datensatz immer aufweist, genauso wie Zufälle.
Sie sagte: »Über die Cluster hatten wir ja schon gesprochen. Sie sind offensichtlich und werden Ihnen vermutlich aufgefallen sein. Um aber ganz sicherzugehen, haben wir verschiedene Kombinationen entfernt, für den Fall, dass sich dazwischen ein Muster verbarg.«
Mir fiel der Begriff wieder ein, den sie verwendet hatte. »Weißes Rauschen.«
»Genau. Aber ohne Ergebnis.«
»Nein.«
Natürlich konnte das auch gar nicht sein. Aber warum nagte es dann immer noch an mir? Irgendjemand hatte die Briefe abgeschickt. Für diesen Irgendjemand hatte festgestanden, dass der Code wichtig war. Ihm war es wichtig gewesen, uns auszustechen. Mein Bauchgefühl sagte mir, dass es etwas gab , etwas, das –
»Soll ich Ihnen die Aufzeichnungen per E-Mail schicken oder …?«
»E-Mail ist gut«, sagte ich. »Zusammen mit Ihrer Spesenabrechnung.«
»Es gibt keine.«
Ich wollte antworten, aber sie gab mir keine Gelegenheit dazu.
»Normalerweise hätte ich natürlich Auslagen. Aber unter den gegebenen Umständen und aufgrund der Tatsache, dass ich Ihnen keine große Hilfe war, würde ich eine Rechnung für unangemessen halten.«
»Sie haben uns geholfen, ganz sicher.«
»Na ja … trotzdem.«
»Vielen Dank, Professor Joyce.«
Nachdem sie aufgelegt hatte, rief ich Laura im Büro an und fasste mein Gespräch mit Joyce kurz zusammen.
»Der Bericht müsste schon unterwegs sein«, sagte ich.
»Ist schon da.«
»Sie ist ja perfekt organisiert.«
»Genauso wie ich. Wo treibst du dich rum?«
»Ich bin gerade erst am Krankenhaus angekommen. Weil ich nicht so perfekt organisiert bin.«
Ich machte mich auf den Weg über den Parkplatz zum Empfang. Unter dem Vordach vor dem Eingang standen Patienten in Grüppchen zusammen und rauchten. Ein Mann, auf Krücken gestützt, hielt einen bandagierten Fuß hoch, während ihm ein Freund die Zigarette hielt.
»Sonst noch was Neues?«, fragte Laura.
»Nein. Als ich gestern Abend ging, war alles in Ordnung. Und er ist wunderschön, Laura. Wirklich.«
»Kommt dann wohl ganz nach Rachel.«
»Haha, der Witz ist ja
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