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Kind des Bösen: Psychothriller (German Edition)

Kind des Bösen: Psychothriller (German Edition)

Titel: Kind des Bösen: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Mosby
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vorgegangen war, als er Kate Barrett umgebracht hatte. Er wollte nicht gesehen werden. Ganz im Gegenteil: Es war irgendwo draußen in der Walachei, und er hatte nicht damit gerechnet, entdeckt zu werden.
    »Oder«, sagte ich, »die Stelle ist ruhig, aber gerade noch frequentiert genug, um sich mit Opfern versorgen zu können.«
    Laura starrte mich einen Moment schweigend an.
    »Er wartet dort«, sagte sie schließlich.
    »Ja.«
    »Also ist es eine Stelle, die Menschen aufsuchen.«
    »Nein, so ist es nicht.«
    Ich sah auf die Karte mit ihrem Geflecht von Straßen. Ich war selbst draußen gewesen. Die Wege waren schmal und ruhig, umsäumt von grünen Wiesen und Gebüsch. Kleine Knicks. Wenig Verkehr. Sonst war da nicht viel. Nicht gerade die Gegend, wo Leute einfach so hingingen. Eher eine Gegend, durch die man hindurchfuhr.
    »Er wartet am Straßenrand«, entfuhr es mir.
    »Wie?«
    »Er wartet am Straßenrand. Vielleicht winkt er Autos heran und gibt vor, Hilfe zu brauchen. Oder er wirft Radfahrer einfach um.«
    Ich sah auf die Karte.
    Ich war mir sicher.
    41
    E s ist fast sieben Uhr, und der Tag neigt sich allmählich dem Ende zu. Die Welt ist einige wenige Schattierungen dunkler geworden. In dem Wald, an dem Lewtschenko gerade vorbeifährt, strecken sich die Schatten zwischen den Bäumen. An einigen Stellen schafft es die Sonne bis auf die Straße hinab, betüpfelt den warmen Asphalt, zeichnet oben in den Baumkronen ein Tarnnetz aus unterschiedlich hellen Schattierungen, aber der Abend naht. Vögel fliegen niedrig über die verstreuten Felder und stürzen sich in die Mückenschwärme, die über den Hecken schwirren.
    Nur das Surren der Fahrradreifen dringt an seine Ohren.
    Dann fährt er langsamer und hält an. Er nimmt sich Zeit, um die Welt um sich herum auf sich wirken zu lassen. Das verworrene Spiel von Licht und Schatten, der Kontrast zwischen der grauen Straße und den zerrissenen Grün- und Brauntönen des überwucherten Waldgeländes.
    Die Welt ist wunderschön an dieser Stelle, denkt er. Sie bietet zu viel, um es mit nur einem Blick aufzunehmen, zu zahlreich die Einzelheiten, so dass man nur einen Teil davon erhaschen, nur annähernd die Bedeutung des unglaublich komplexen Ganzen erfassen kann. Dasselbe empfindet er beim Betrachten von Gemälden, die mit ihrem Überfluss an Farben und Formen, mit unzähligen Pinselstrichen aufgetragen, das Auge geradezu bedrängen und überwältigen. Undenkbar fast, dass der menschliche Geist etwas so Komplexes erdenken und schaffen kann, Stück für Stück, durch nicht mehr als eine Ansammlung kleiner, einfacher Bewegungen.
    Schönheit lässt sich jedoch auch in der Schlichtheit finden.
    Seine Tochter, Emmy, war wunderschön, obwohl ihr Gesicht glatt war, keine Falte aufwies. Ihre Schönheit verdankte sie dem Fehlen von Komplexität: kein Argwohn, Ärger oder Hass. Sie war so wunderschön gewesen, weil die Welt ihr trotz allem nichts anzuhaben schien. Bis zum Schluss jedenfalls.
    Es gibt zwei Arten von Menschen auf der Welt, glaubt er. Die Guten und, ja, die Bösen. Einige Menschen sehen in der schlichten, unschuldigen Schönheit, wie sie seiner Tochter eigen war, etwas, das sie beschützen wollen, weil sie erkennen, wie zerbrechlich und kostbar sie ist. Dann aber gibt es diejenigen, die es ihr neiden und sie zerstören wollen: um sie auf ihre Stufe herabzusetzen. Menschen, die eine solche Schönheit außerhalb ihrer selbst nicht ertragen können, wenn sie ihnen entschwunden oder vielleicht auch nie da gewesen ist.
    Das Hässliche lässt sich leichter definieren – und die Welt ist voll davon. Manchmal sieht man nichts anderes als das. Und so genießt er es, hierher aufs Land zu kommen und einen Hauch des Gegenteils tief in sich aufzunehmen. Eine Erinnerung daran, dass die Welt schön sein kann, wenngleich fast nur, wenn keine Menschen da sind.
    Lewtschenko setzt den Fuß wieder auf das Pedal und fährt weiter.
    Die Reifen rauschen über die Landstraße. Den Beutel mit den Wachsplättchen, die er gekauft hat, hat er hinten auf das Fahrrad gebunden. Auf dem Heimweg geht es meist bergab, so dass er kaum treten muss.
    Wie immer, wenn er erst einmal angefangen hat, an Emmy zu denken, lässt es ihn nicht mehr los. Es ist ihr Verlust, der ihn alles in Frage stellen lässt. Warum ist er bei diesem Unfall verschont geblieben? Einen Grund muss es doch gegeben haben, und sicher nicht den, dass er seine Tochter sterben sehen sollte. Welcher Gott würde so etwas billigen? Es muss

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