Kind des Bösen: Psychothriller (German Edition)
Teenagern im Gebiet von Fairfield hier in der Stadt könnte er bekannt sein. Wir bitten jeden, der Angaben zu diesem Mann machen kann, sich bei uns zu melden.«
Er blickt von seinen Notizen auf. Lewtschenko erinnert sich an seine Augen, vom letzten Mal, als sie sich begegnet sind. Blicken sie nicht um einiges ernster? Müde und bekümmert.
»Alle Hinweise, die wir bekommen, werden mit äußerster Diskretion behandelt.« Hicks legt die Seiten ab. »Sie haben jetzt fünf Minuten Zeit für Fragen. Ja, bitte?«
Eine kaum hörbare Stimme meldet sich zu Wort.
»Tom Benson, Evening Post. Sie sagen, dass der Killer zum jetzigen Zeitpunkt fünfzehn Menschenleben auf dem Gewissen hat, haben aber nur neun namentlich genannt. Gibt es Probleme bei der Identifizierung?«
Während er der Frage zuhört, nickt Hicks ernst.
»Zu den Opfern, deren Namen für die Presse noch nicht freigegeben sind, kann ich zum jetzigen Zeitpunkt keine Angaben machen.«
Die Stimme hakt nach.
»Wir wissen, dass es in der Stadt eine Reihe von Tatorten gibt. Wurden diese Opfer dort gefunden?«
»Zu den Opfern, deren Namen für die Presse noch nicht freigegeben sind, kann ich zum jetzigen Zeitpunkt wirklich keine Angaben machen, verstehen Sie?«
Lewtschenko lächelt an dieser Stelle, aber es ist ein freudloses Lächeln. Der Detective hat sich nicht verändert: immer noch die altbekannte Blockadepolitik, immer noch das altbekannte, teilnahmslose, fast herablassende Abhandeln von berechtigten Fragen und Anliegen. Ihm scheint nicht nur, dass er jetzt wegen Hicks hier in seinem Laden sitzt, sondern dass er nicht zufällig auch genau zu diesem besonderen Zeitpunkt in seinem Leben hier sitzt. Und dass dies aufgrund der Folgeerscheinungen von Ursache und Wirkung, die sich selbst aus den unbedeutendsten Handlungen ergeben, für mindestens eine andere Person nicht gilt.
Emmy.
Versunken in Erinnerungen, verpasst er die Frage. Auf dem Bildschirm blickt Hicks in das nicht gezeigte Auditorium.
»Wir gehen mehreren Spuren nach. Aber zu den Opfern, deren Namen für die Presse noch nicht freigegeben sind, kann ich zum jetzigen Zeitpunkt keine Angaben machen.«
Weil Sie keine gefunden haben, denkt sich Lewtschenko.
Das ist es doch, was der Detective damit sagen will, oder? Den Anwesenden im Raum wird das doch sicher nicht entgangen sein? Vermutlich hacken Sie deshalb auf ihn ein wie Hühner, die im Staub nach Körnern picken.
»Eine Woche sind Sie schon an dem Fall dran«, erkundigt sich ein Reporter, »und es gab noch keine Verhaftung. Wann werden Sie wissen, wer der Täter ist, den Sie gerade beschrieben haben?«
Vielleicht bildet es sich Lewtschenko nur ein, aber Hicks’ Miene scheint sich leicht zu verdüstern. Nur zu verständlich, oder? Der Detective lässt sich nicht gerne kritisieren. Zu sehr von sich überzeugt.
»Wie gesagt, wir ermitteln in mehrere Richtungen und fordern jeden auf, sich zu melden, wenn er sachdienliche Hinweise hat. Wir gehen davon aus, dass wir ihn bald haben werden.«
Ach ja?
Wieder ein freudloses Lächeln – aber Lewtschenko gefällt es zu beobachten, wie der Detective sich unter dem Druck dreht und windet. Tatsache aber ist, dass die Leute tot sind. Da gibt es nichts zu beschönigen. Und Tatsache ist auch, dass, was immer mit Hicks geschieht, die Vergangenheit nicht ändern kann.
Nichts kann sie zurückbringen.
Lewtschenko schüttelt den Kopf.
Es ist wahr, natürlich, und er verspürt einen Moment der Schuld. Warum diese diffuse Freude, wenn er den Detective in Schwierigkeiten sieht? Gott würde das nicht gutheißen – dennoch spürt er sie und unterdrückt das Schamgefühl, das damit einhergeht. Warum nicht? Natürlich heißt Gott auch Hicks nicht gut. So, wie wir für das zur Rechenschaft gezogen werden, was wir tun, müssen wir auch für das Verantwortung übernehmen, was wir nicht tun. Gestehst du mir das zu?, wendet er sich an Gott. Nichts kann sie mir mehr zurückbringen, aber damals hätte es verhindert werden können.
Hicks hätte sie retten können.
Lewtschenko hätte sie …
Aber dagegen wehrt er sich.
Es ist wichtig, dass er sich darauf besinnt, immer wieder: Er hätte nicht mehr tun können als das, was er getan hat. Er ist ein guter Bürger und hat sich deshalb mit seinen Sorgen an die Behörden gewandt – an die Leute, die etwas hätten tun müssen, weil es ihre Aufgabe ist. Also muss ihnen der Vorwurf gemacht werden.
Ihnen muss der Vorwurf gemacht werden.
Er starrt auf den Bildschirm.
Ihm.
Das
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