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Kind des Glücks

Kind des Glücks

Titel: Kind des Glücks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norman Spinrad
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Geisteskranker!«
    »Wollen Sie damit sagen, daß im Bloomenveldt Menschen leben?« fragte ich.
    »So ist es«, sagte Sori, indem sie zum erstenmal ihre Beredsamkeit unter Beweis stellte. »Es gibt einige, die am Küstenstreifen, manchmal wochenlang, zwischen den Kuppeln auf und ab wandern. Solange sie das Meer in Sichtweite haben, können sie selbst ohne Maske immer noch die nächste erreichen. Und was Essen und Trinken angeht – das kann man im Bloomenveldt im Übermaß bekommen.«
    »Aber wieviele Bewohner des Bloomenveldts noch menschlich zu nennen sind, das ist ein anderes Kapitel«, sagte Marlene Kona Mendes.
    »Sie versucht Sie mit der Legende der Bloomenkinder einzuschüchtern«, sagte Omar.
    »Ich meine damit jeden, der dumm genug ist, ohne Maske da hineinzugehen!«
    »Anscheinend haben wir noch eine Menge zu lernen«, sagte ich. Die Rolle der unwissenden Zuhörerin bei einer Debatte, die bereits seit einiger Zeit im Gange schien, ging mir so langsam auf die Nerven.
    »Der ewige Zustand des menschlichen Geistes, was?« sagte Omar. »Ich möchte annehmen, daß ihr zwei darauf brennt, gleich morgen zu beginnen. Ich bin gern bereit, euch als Führer zu dienen.«
     
    So begannen Guy und ich, sobald am nächsten Morgen die Sonne aufgegangen war, in Begleitung von Omar Ki Benjamin unseren ersten Ausflug ins Bloomenveldt. »Trotz meiner Witze auf Kosten unserer lieben Direktorin«, sagte er, als wir über die Landzunge zum Strand wanderten, »würde ich euch raten, zumindest für den Augenblick die Masken anzulegen. Der erste Eindruck ist auch so schon verwirrend genug.«
    Als wir den Strand erreicht hatten, setzten wir die Halbmasken auf, die Nase und Mund bedeckten, ohne das Auge zu behindern. Wir trugen bereits unsere Schwebegürtel, und Omar unterwies uns in ihrem Gebrauch. Die Handhabung wirkte recht einfach; die einzige Kontrolle war ein Knopf, mit dem die Schwerkraftaufhebung zwischen 0.4 g, dem Normalwert von Belshazaar, und der höchsten Einstellung verändert werden konnte; letztere ergab eine negative Schwerkraft von 0.1 g, was bedeutete, daß man sanft nach oben schweben konnte. Aus Sicherheitsgründen wurde diese Stellung nach zehn Minuten automatisch aufgehoben, um zu verhindern, daß ein Benutzer, der aus irgendeinem Grund das Bewußtsein verloren hatte, aus der lebensspendenden Atmosphäre hinaustrieb.
    Omar führte uns ein paar Dutzend Meter am Strand entlang. »Um der dramatischen Wirkung willen«, erklärte er uns. Von hier aus erschien der Bloomenwald nicht mehr als massive Klippe; vielmehr verkleinerte mich die Perspektive auf die Größe eines Insekts, das eine gewaltige Pflanzenwand hinaufblickt, so hoch, daß sie den Himmel verdunkelt. Wirklich, wenn ich in die tief beschatteten Gänge zwischen den monströsen Baumstämmen blickte, sah ich die bleichen, weißen Umrisse unappetitlicher Pilze, die auf dem lehmigen Waldboden wuchsen, und ich konnte sogar – jedenfalls glaubte ich es – das Huschen und Schnattern unsichtbarer Wesen hören.
    »Auf, auf, meine Kinder!« rief Omar. »Von der Maja der Bodenkriecher in die erhabenen Höhen!«
    Indem er es sagte, drehte er am Kontrollknopf des Schwebegürtels und begann aufzusteigen, einen Augenblick später folgten Guy und ich.
    Wir trieben an der schattigen Front des Waldrandes langsam nach oben wie Mücken vor einer Höhlenmündung, die viel zu groß ist für ihre bescheidene Perspektive, oder wie Vögel, die sich vor einer Front böser schwarzer Gewitterwolken emporschrauben. Dann, keinen Augenblick zu spät, erreichten wir die Ebene, wo der Baldachin der Baumwipfel begann und die dunkle, unheildrohende Weite der tieferen Bereiche dem gewelltem grünen Blattwerk wich, das vom hellen Morgenlicht strahlend betupft wurde.
    Und dann, ganz plötzlich, hatten wir schließlich das Dach des Waldes überwunden und stiegen auf wie die Sonne im Osten, wie heimziehende Engel über Eden.
    Es war eine Sache gewesen, das Bloomenveldt en holo zu sehen, doch ganz eine andere, es zum erstenmal in seiner wirklichen Größe zu erfassen. Vraiment, es war gewaltig, in toto und en détail, und doch war es eine Größe, die nicht etwa den Geist einschüchterte, sondern ihn vielmehr mit Entzücken füllte.
    Die Morgensonne hinter uns beleuchtete in scharfen Licht- und Schattenwechseln die Winkel und Falten und Hügel eines grünen Teppichs, der endlos war wie der blaue Himmel darüber. Aus dieser Perspektive, ein paar Meter über der Oberfläche schwebend, erschienen

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