Kind des Glücks
des Geistes und der Friede des Herzens, den die verdorrten Lippen und die ungetrübten braunen Augen ausdrückten, was mich überzeugte, daß ich das Reich des normalen Bewußtseins verlassen hatte.
Dann sprach das Gesicht und zerstörte die Illusion des Traums, wenn auch nicht die schläfrige, schwebende Stimmung.
»Darf ich eine Weile euer Blatt mit euch teilen, mes amis?«
Ein alter Mann kauerte sich neben uns auf das Blatt – nicht nur nackt, was Kleidung anging, sondern auch ohne Schwebegürtel und Gasmaske.
»Bist du ein Bloomenkind des Waldes?« fragte Guy mit einer Stimme, deren hellwache Neugierde durch die Stille des Blumenduftes bizarr gedämpft wurde.
Der alte Mann lachte, es klang glücklich und melodisch; jedenfalls schien es so. »Noch nicht«, sagte er.
»Du bist kein nackter Stammesangehöriger, der gerade aus den Tiefen des Waldes erschienen ist?« fragte ich ähnlich verträumt.
»Au contraire«, sagte der alte Mann. »Ich gehe nackt, um meinen Geist mit dem Bloomenveldt verschmelzen zu lassen, bevor er diesen todgeweihten Körper verläßt.«
»Dann bist du ein Pilger, der zum Sterben ins Bloomenveldt gekommen ist?«
Abermals lachte der alte Mann, reizend und ohne eine Spur Ironie oder Furcht. »Sterben kann man in jeder Umgebung«, sagte er. »Nur den Stil des Übergangs vom sterblichen Reich und den Bewußtseinszustand in diesem Augenblick kann man wählen. Was mich angeht, ich wählte das Bloomenveldt für meinen Tod, weil man hier nicht in Furcht scheiden muß, sondern in einem Zustand der Erleuchtung – in den liebenden Armen dieses gewaltigen Waldes.«
»Kennst du das Bloomenveldt gut?« fragte Guy scharf, bemüht, seine Schläfrigkeit abzuschütteln. »Bist du mit den Geheimnissen seines Herzens gut vertraut?«
»Vor einem Jahrhundert kam ich als Wissenschaftler her, um den Wald in den Forschungskuppeln zu studieren. Doch etwas bewegte meinen Geist, meinen luftdichten Anzug abzulegen, Gasmaske und Schwebegürtel abzustreifen und tief ins Innere vorzudringen, bis ich wußte, daß ich hierher kommen würde, wenn mein Tod nahte. Was die Geheimnisse im Herzen des Bloomenveldts angeht – die werden immer ein Geheimnis für jene bleiben, die fürchten, der Atem seines Atems zu werden. Und in jenen Tagen war ich so einer.«
»Du bist ins Innere gereist und hast überlebt, um die Geschichte zu erzählen?« fragte ich ebenso scharf wie Guy, denn wenn dem so war, welches bessere Zeichen hätte uns das Schicksal geben können?
Der Alte tat die Größe dieser Leistung mit einer unbestimmten Handbewegung ab. »Wenn man die Menschenwelten nie wirklich hinter sich läßt, wie kann man dann anders, als in sie zurückkehren?« sagte er. »Ich meine damit, daß den, der mit einer Maske geht, nichts davon abhält, durch die Wunder und die Pracht des Bloomenveldts zu wandern, ohne sich von ihnen beeindrucken zu lassen. Der gut ausgerüsteten turista erfährt weder physische Gefahr noch spirituelle Erhebung. Um beides zu meistern, muß man die Gasmaske der Zivilisation ablegen und sich den Blumen hingeben.«
»Doch selbst maskiert hast du genug erfahren, um zu wissen, daß dein Geist seine letzte Reise hier antreten wollte…«, sagte Guy.
»In der Tat, mein junger Freund«, erwiderte der alte Mann. »Denn während ein junger Geist viel verlieren kann, wenn er sich dem Wald hingibt, kann ein alter Geist, der bald gezwungen wird, seine alte Wohnstatt aufzugeben, nur das erleuchtete Ende erlangen.«
»Und was hast du vor so vielen Jahrzehnten erfahren, das dich überzeugte, eine solche letzte Reise machen zu müssen?« fragte ich leise.
»Das Bloomenveldt lebt!«
»Kaum eine Enthüllung von verblüffender Größe«, konnte ich mich nicht enthalten, ironisch-nüchtern festzustellen.
»Es lebt wie du oder ich, mein Kind«, sagte der alte Mann. »Im Besitz einer genetischen Intelligenz – eines intelligenten Geistes, den er als Geschenk vom Menschen erhielt. Millionen Jahre lang schlummerte der Wald mit seinen bewußtlosen Bäumen, produzierte Substanzen, um die bewußtlosen Bestäuber zu manipulieren. Doch dann kam unsere Art nach Belshazaar, und über die Jahrhunderte wanderten intelligente Wesen immer wieder in den Wald hinaus; seit jener Zeit hat sich der Wald in Symbiose mit dem Menschen entwickelt. Tief im Bloomenveldt im Land der Bloomenkinder haben die Blumen Pheromone und Alkaloide entwickelt, die nicht etwa beschränkte Säuger anlocken sollen, sondern unseren eigenen intelligenten
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