Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kind des Glücks

Kind des Glücks

Titel: Kind des Glücks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norman Spinrad
Vom Netzwerk:
oben, atmete im Gipfelpunkt seines Sprunges tief ein und kam höchstens ein Dutzend Meter von seinem Ausgangspunkt entfernt herunter. Schließlich wurden seine Sprünge kürzer und sicherer, und dann rannten wir über die Blätter wie Forscher auf einem Asteroiden mit niedriger Schwerkraft, wandten uns ohne logische Überlegung in diese und jene Richtung, als folgte Guy einer unsichtbaren Spur wie ein Hund einer Fährte.
    Plötzlich wurde er langsamer, hielt inne, kauerte auf einem Blatt und betrachtete reglos etwas, das durch eine Senke im Gelände meinen Blicken verborgen blieb, bis ich neben ihm stand.
    Dann sah ich das Dorf der Bloomenkinder, wenn eine solche Bezeichnung erlaubt ist.
    In der flachen Senke der großen Äste direkt unter uns war ein Nebenast mit mindestens hundert Blättern zu voller Blüte erwacht. Mindestens ein Dutzend Blumen wuchsen nur wenige Meter nebeneinander, so daß es fast aussah, als wäre ein Blumenbeet in eine wuchernde Wiese gepflanzt worden. In diesem Garten des Bloomenveldts gab es mehrere Blumenarten: strahlende, pinkfarbene Becher wie gewaltige offene Münder, deren Blütenblätter schwarz gestreift waren; Blumen mit genau der umgekehrten Farbanordnung; Blumen, die hauptsächlich aus Pyramiden gelber Pollen bestanden; Blumen, die fast nur hohe weiße Blütenblätter waren; hängende Trauben von Lavendelglocken; dicke Boviste in allen Regenbogenfarben.
    Und zwischen den Blumen bewegten sich vielleicht zwei Dutzend Bloomenkinder, die, wenigstens aus dieser Entfernung gesehen, mit verschiedenen alltäglichen Aufgaben eines typischen Dorflebens beschäftigt schienen.
    Guy blickte mit stillem Entzücken hinüber. »Wunderschön…«, seufzte er. »Vollkommen…« Ich faßte seine Hand, als er vorwärts zu treiben schien.
    »Guy! Guy! Was ist mit dir?«
    Guy schien um Worte zu ringen, während er sich gegen meinen Griff wehrte.
    »Spürst du es nicht, Sunshine?« platzte er begeistert heraus. »Die Vollkommenheit der Schöpfung… das große Rad, das sich langsam zur Sphärenmusik dreht…«
    Er hielt blinzelnd inne. Dann drehte er sich um und schenkte mir sein strahlendstes Lächeln. »Keine Angst, ma chère«, sagte er leise und mit ruhiger Gewißheit, »in diesem vollkommenen Garten kann uns nichts Böses geschehen.«
    Noch nie hatte ich Guy Vlad Boca so im Einklang mit seinem eigenen Geist gesehen; vraiment, die ruhige Klarheit, die von ihm ausging, der unbestreitbar schöne Anblick des Dorfes der Bloomenkinder waren so stark, daß ich ihm erlaubte, mich durch die Blumen zu führen zu den vollkommenen Bloomenkindern mit ihren klaren und leeren Augen, mit ihren schönen, unverhüllten Körpern und ihrer unschuldigen, animalischen Anmut.
    Die Bloomenkinder zogen langsam und würdevoll von Blüte zu Blüte, schienen sich nie zu behindern, ohne sich jedoch bewußt auszuweichen – als wären sie bewegliche Teile eines einzigen Organismus oder, vielleicht passender, als folgten sie bei ihrem Tanz zwischen den Blumen einer ausgeklügelten Choreographie.
    Ihre Augen verrieten das Bewußtsein unserer Anwesenheit ebenso, wie sie das Bewußtsein ihrer Gefährten verrieten. Sie schienen uns als natürliche Hindernisse zu betrachten, die mit ruhigen Anpassungen ihres Tanzes zu umgehen waren, ohne jedoch weiter auf uns zu achten. Vraiment, ich glaubte jetzt auch, daß uns hier nichts zustoßen konnte, denn es war, als wandelte ich im Traum eine Straße hinunter, gehüllt in ein voyeuristisches Gewand der Unsichtbarkeit, einerseits unverletzlich, doch andererseits auch unfähig, mit den Bewohnern dieses Traumlandes Kontakt aufzunehmen.
    Doch certainement , noch nie war ich im Traum durch eine Landschaft wie diese gewandert.
    Auch hier fanden wir Blumen, auf denen tantrische Übungen stattfanden, Blumen, die als Speisesäle dienten und pflanzliche Traumkammern; ein pheromonisches Uhrwerk war an den Bloomenkindern abzulesen, die in verschiedenen Phasen des Kreislaufs begriffen waren.
    Doch hier gab es so viele Blumen von so unterschiedlicher Art, daß das von ihnen erzeugte menschliche Verhalten so komplex wurde, daß man nicht ganz sicher sein konnte, ob der Tanz der Bloomenkinder nicht doch durch ein Bewußtsein gesteuert wurde.
    Drei verschiedene Früchte und mindestens zwei Nektararten wurden von den Blumen dieses Gartens angeboten. Trauben kopfgroßer schwarzer Beeren wuchsen am Fuß der Lavendelglocken. Die rosafarbenen Kelche und ihre schwarzen Ebenbilder wuchsen zwischen zottigen weißen

Weitere Kostenlose Bücher