Kind des Glücks
gespielt ernstem Tonfall. »Wer bist du?«
»Cabeza de caga!« rief ich in gleichermaßen unechtem Zorn und verletzter Unschuld. »Wer ich bin? Wer bist du denn, daß du dir mit einer ahnungslosen Jungfrau solche Freiheiten erlaubst?«
Jenseits der Trennwand ertönte ein würgendes Gurgeln, etwas zwischen einem Husten und einem Lachen. »Du weißt wirklich nicht, was du da gerade bei wem angefaßt hast?« sagte er etwas mißtrauisch.
»Glaubst du denn, ich sei im Besitz einer geheimnisvollen Kraft, mit der ich aus dem Anblick deiner Füße und der Größe deines Lingam auf deine Identität schließen könnte?«
»Nach gewissen anderen Kräften zu urteilen, die du anscheinend besitzt, würde mich das nicht überraschen, Mädchen…«, sagte er sinnend. »Nun, wisse denn, daß du soeben die Ehre hattest, Pater Pan eine Gänsehaut einzujagen, du, ah, du ahnungslose Jungfrau!« fügte er ironisch hinzu.
»Wer?« gab ich zurück, als sagte mir der Name nichts.
»Pater Pan!« erwiderte er leicht gereizt.
»Bien«, sagte ich leise. »Und du hattest die Gunst, wie unabsichtlich auch immer, mit der Berührung von Moussa Shasta Leonardo geehrt zu werden.«
»Du redest, als wäre das ein fairer Handel«, beklagte er sich.
»Ist es das nicht?«
»Merde!« murmelte er. »Ich bin Pater Pan, Mädchen.«
»Du redest, als hätte diese Erklärung eine kosmische Bedeutung.«
»Willst du mich auch nicht auf den Arm nehmen? Du weißt wirklich nicht, wer ich bin?« sagte er, und seine Stimme verriet eine Mischung aus verletztem Ego und bezaubertem Verwundern über so ungewohnte Unwissenheit.
»Sollte ich das?«
»Aber sicher!« sagte er freundlicher. »Aber vielleicht sollten wir diese Séance von Angesicht zu Angesicht und Bauch an Bauch fortsetzen…«
»Porqué no?« sagte ich nach kurzem Zögern. »Ich hab’ in der nächsten Stunde nichts Dringendes zu tun, und wenn mir deine Gesellschaft nur halb soviel Freude macht wie dir selbst, dann wird die Zeit gut verwendet sein.«
Damit war der Austausch vorübergehend beendet, und wir trockneten uns ab, kleideten uns an, verließen unsere Kabinen und standen uns schließlich vis-à-vis gegenüber. Er musterte mich einen Augenblick wohlwollend von oben bis unten, um mir dann ein in Maßen billigendes Lächeln zu schenken.
Ich für meinen Teil ließ die Augen über den hinter Patchwork verborgenen Körper gleiten, während ich versuchte, einen Ausdruck, von unterdrückter Belustigung aufzusetzen. »Drôle«, sagte ich schließlich trocken.
»Drôle?« rief er. »Ist das alles, was du beim ersten vollen Anblick meiner großartigen Gestalt zu sagen hast?«
»Du bist dir doch sicher bewußt, daß dein, äh, dein Kostüm ein wenig lächerlich wirkt…«
Er zog die Augen zusammen. Ich musterte ihn freundlich. Dann lachten wir beide, und unsere Gesichter nahmen einen gleichen Ausdruck an, als hätten sich unsere Geister berührt und immerhin festgestellt, daß wir einander gleichermaßen komisch fanden.
»Vielleicht sollten wir dieses Duett ohne Publikum fortsetzen?« schlug er vor, denn Seitenblicke zeigten uns, daß alle Benutzer der Anstalt, besonders die weibliche Begleitung, mit der er gekommen war, die Szene mit lebhaftem Interesse, wenn auch nicht durchweg amüsiert, betrachtete.
»Wirklich«, stimmt ich zu, indem ich seine Hand nahm, worauf er erregt die Augen aufriß. »Ich finde solche Schüchternheit bei einem Mann nicht ohne einen gewissen jungenhaften Charme.«
Und so marschierten wir Hand in Hand hinaus – seine wurde immer verschwitzter –, während es hinter uns raunte und murmelte, was ich als Applaus für meine unter diesen Umständen meisterhafte Vorstellung betrachtete.
Die Anstalt lag hinter einem großen Katarakt versteckt, der von der Felsklippe hoch droben herunterstürzte, und ganz in der Nähe befand sich in der Klippe eine Höhle, in die Pater Pan mich führte. Sie erwies sich als Eingang einer Aufzugsröhre, die uns zur Klippe hinaufbrachte. Die Landschaft dort oben sah völlig anders aus als das Plateau, das man von unten erwartete.
Der Gipfel der Klippe war vielmehr eine flache Schüssel, ein »natürliches« Amphitheater, das hinter einem Ring aus Felsen verborgen war, damit der Eindruck einer öden Wüstenlandschaft aus der Ferne nicht verdorben wurde. In Wirklichkeit gab es hier jedoch einen üppigen grünen Garten, eine Landschaft aus winzigen, grünen Hügeln und heimeligen kleinen Tälern, in denen zahlreiche Teiche lagen, die durch
Weitere Kostenlose Bücher