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Kinder der Ewigkeit

Kinder der Ewigkeit

Titel: Kinder der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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schwarze Gestalt deutete zum Kronleuchter, der über der Tanzfläche von der hohen Decke gefallen und auf dem Holzboden zerbrochen war. »Wenn du alles zusammengesetzt hast, bevor der Tag beginnt, darfst du den Saal verlassen.«
    Und so machte sich Akir Tahlon, einst Präfekt der Hohen Welten und Erster Hochkommissar des Direktoriats, an die Arbeit. Aus hundert kristallenen Kerzen bestand der Leuchter, und jede einzelne Kerze war beim Aufprall in tausend Splitter zerbrochen; das wusste er, ohne sie zu zählen. Als er damit begann, die einzelnen Teile zusammenzufügen, dachte er: Es sind insgesamt hunderttausend Teile. Wie viele Stunden hat die Nacht? Etwa zehn. Das macht vierhundert Minuten oder sechzehntausend Sekunden. Ich müsste also mehr als sechs Teile pro Sekunde zusammensetzen, um bis morgen früh fertig zu werden.
    Es ist nicht zu schaffen, sagte die Vernunft, doch das Gefühl schrie: Versuch es!
    Die ganze Nacht schuftete Tahlon, mit flinken Fingern und wachem Auge, und als sich hinter dem grauen Staub an den Fenstern das erste Licht des neuen Tages zeigte, setzte er die letzte kristallene Kerze zusammen. Daraufhin erstrahlte der Kronleuchter in neuer Pracht, stieg langsam auf und kehrte zu seinem Platz an der Decke zurück.
    Tahlon sah kurz nach oben, eilte dann zur Tür und öffnete sie.
    Warmer Sonnenschein fiel draußen auf die erwachende Stadt vor dem Hügel, auf dessen Kuppe das Gebäude mit dem alten Ballsaal stand. Die Häuser bildeten klare geometrische Formen, und das galt auch für die Verkehrskorridore auf dem Boden und in der Luft. Einige wenige Personen und Fahrzeuge bewegten sich, in Mustern mit mathematischer Präzision. Das Licht der Sonne, das sich in Fenstern und auf Dächern widerspiegelte, schien den gleichen Formeln zu gehorchen, die auch alle Bewegungen bestimmten. Tahlon fühlte: Es war eine Stadt, die sich von den Launen des Zufalls befreit hatte, in der das Unerwartete und Unvorhergesehene niemandem mehr auflauerte. In ihr war alles geordnet, strukturiert und geregelt, und damit stellte sie all das dar, was sich Tahlon jemals gewünscht hatte. Sein Leben voller Wechselfälle stand in einem so krassen Kontrast dazu, dass er schrie, aus Verzagtheit über all die Jahre inmitten des Chaos und voller Sehnsucht nach dem vor ihm liegenden Paradies.
    Der Schrei hallte nicht nur über den Hang des Hügels, sondern auch durch den Saal, so laut, dass der Kronleuchter klirrte und immer stärker vibrierte, bis er sich schließlich von der Decke löste und auf die Tanzfläche prallte – alle hundert kristallenen Kerzen zersprangen.
    Die Tür fiel zu, und Tahlon konnte sie nicht wieder öffnen. Er lief zu einem der Fenster und strich den Staub beiseite, aber draußen wurde es bereits wieder dunkel, und als er die Hand sinken ließ, bildete sich neuer Staub an der Fensterscheibe.
    Erneut arbeitete er die ganze Nacht, setzte stundenlang die vielen Splitter zusammen und gönnte sich keine Pause, weil er wusste, dass er bis zum Morgengrauen fertig sein musste, was eigentlich unmöglich war. Und als es ihm doch gelang, nach zehn Stunden harter Arbeit, als er beim ersten Licht des Tages zur Tür lief, sie öffnete und die herrliche Stadt sah, in der es die Geborgenheit des Vorhersehbaren gab … Da stach wieder der Schmerz in ihm, der von allen unerfüllten Wünschen und enttäuschten Hoffnungen seines Lebens stammte, und er konnte den Schrei nicht zurückhalten, obgleich er wusste, was er damit anrichtete. Hinter ihm stürzte der Kronleuchter von der Decke, und wieder zerbrachen seine hundert kristallenen Kerzen …
     
     
    »Geht es Ihnen nicht gut, Präfekt?«, fragte Ranidi besorgt, als Akir Tahlon das Navigationszentrum der Concordia betrat.
    »Ich habe … schlecht geschlafen«, antwortete er und spürte tief in seinem Innern, dass dies nur die halbe Wahrheit war. Es geschah nicht zum ersten Mal, dass er von jener anderen Welt träumte, und er war ganz und gar nicht sicher, ob es sich wirklich nur um einen Traum handelte. Er war tot gewesen, mehrere Stunden lang, bevor ihn eine Rekonversion ins Leben zurückgeholt hatte. Aber hatte sie ihn wirklich ganz zurückgeholt? Oder weilte ein Teil seiner Seele noch immer auf der anderen Seite jenseits des Lebens?
    Tahlon schüttelte die düsteren Gedanken ab, als er zu seinem Platz vor den Datenports ging. Eine Enha-Entalen – Delegierte der Prinzipalin des Transporters, dessen Barke Gramza Esebian gestohlen hatte – wartete dort auf ihn. Er nahm die

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