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Kinder der Ewigkeit

Kinder der Ewigkeit

Titel: Kinder der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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Garbert handelte, aber der Fremde war größer, hob den Arm und winkte …
    Esebian fiel.
    Bevor ihn das Flirren der Anomalie erreichte und in eine andere Zeit entführen konnte, schluckte ihn ein Restrukturierungsloch im Boden, und er stürzte in die Tiefe.
     
     
    Etwas packte ihn in der dunklen Leere, hielt ihn fest und bewahrte ihn vor einem tödlichen Aufprall. Irgendwoher kam Licht, und Esebian sah die Erkundungskapsel, die er im Lotsenraum bemerkt hatte: eine silberne Kugel mit mehreren Sensorstielen und ausgestattet mit einem Gravitationsmotor.
    Esebian fühlte, wie er sank, und wenige Sekunden später hatte er wieder Boden unter den Füßen. Um ihn herum, Dutzende von Metern entfernt, wölbten sich Wände, die aus zahllosen Kugeln unterschiedlicher Größe bestanden, viele von ihnen grauweiß und halb transparent. Die meisten schienen leer zu sein, aber in manchen zeichneten sich Silhouetten ab, und gelegentlich bewegte sich eine von ihnen: ein kurzes Zucken, mehr nicht. Als sich Esebian langsam um die eigene Achse drehte, entdeckte er weit oben, beim Scheitelpunkt des Gewölbes, eine Kugel mit deutlicher zu erkennendem Inhalt. Ein dunkles Geschöpf ruhte darin, fast so schwarz wie die Tunnel des Labyrinths, mit langen, gekrümmten Beinen und einem ovalen, segmentierten Leib. Ein spinnenartiges Wesen, das seinen Blick zu spüren schien, denn plötzlich bewegte es die Beine, als wollte es aus der Kokonkugel ausbrechen. Das wirkte vertraut auf Esebian, und aus gutem Grund. Er hatte diese Kreaturen oft gesehen: im Weltraum, einen Kilometer und mehr durchmessend, grauschwarz – die Weber der Filigrane.
    Der Boden bestand aus Myriaden von winzigen Mosaiksteinen, und jeder einzelne von ihnen glitzerte im Licht, das vom höchsten Punkt des Gewölbes herabströmte. Karmesinrot, türkisgrün und kobaltblau bildeten sie ineinander verschlungene Muster, von denen manche an Möbiusbänder erinnerten. In ihrer Mitte gab es einen Pfad, der erst in weiten und dann immer enger werdenden Kreisen durch den Raum führte und in seinem Zentrum vor einem kleinen Pavillon endete.
    Esebian bewegte sich und stellte fest, dass er dem Verlauf der Spirale folgen musste. Seine Versuche, nach rechts und links von ihr abzuweichen und andere Teile des Bodens zu betreten, blieben erfolglos und waren ohnehin halbherzig – er wusste instinktiv, dass sein Ziel der Pavillon war. Während er dem Verlauf der Spirale folgte, die dunkel durch ein Meer aus Farben reichte, reiften Erkenntnisse in ihm heran, wie durch ein Neuro-Implantat aufgenommene fremde Erinnerungen. Er wusste plötzlich, wo er sich befand: im Zentrum des Labyrinths von Lahor, nach dem man seit vielen Jahren gesucht hatte, im Großen Synchronisator, dem Mittelpunkt eines gewaltigen Apparats, der sich aus so vielen Einzelteilen zusammensetzte wie das Mosaik des Bodens. Vor dem inneren Auge sah Esebian eine kolossale Maschine, bestehend aus Milliarden von Komponenten, die ihrerseits, einer fraktalen Struktur gehorchend, aus Milliarden von Subkomponenten bestanden. Manche Teile dieser Maschine waren noch aktiv, aber die meisten ruhten und warteten seit Jahrhunderttausenden auf Signale, die sie wieder in Bewegung setzen und ihre Bewegungen aufeinander abstimmen würden. Und der Zweck dieser Maschine …
    Esebian erkannte, dass nur ein Schritt genügte, um von einer Welt zu nächsten zu gelangen, und ein paar Schritte mehr, um die nächste Galaxis zu erreichen. Während er weiter über das dunkle Band der Schleife ging, das ihn zum Pavillon in der Mitte des Raums brachte, hob er die Hände vors Gesicht und sah das Funkeln zwischen ihnen, wie von brennendem Staub, und er erinnerte sich daran, wie daraus neue Sonnen und Planeten wachsen konnten, wenn man diese Saat der Schöpfung an den richtigen Stellen ausbrachte und ihr Zeit genug gab. Wenn der Große Synchronisator seine Signale sendete, wenn alle Konnektoren zum Leben erwachten und Zeit und Raum zu Variablen wurden, die sich fast nach Belieben verändern ließen, um neue Strukturen zu schaffen, so wie das Labyrinth selbst immer wieder neue Strukturen schuf, auf der Suche nach der einen richtigen für die Synchronisation … Dann konnte die Wirklichkeit – vom Kleinsten bis zum Größten, von der Mikro- bis zur Makrowelt – jede beliebige Form gewinnen.
    Esebian erinnerte sich an mehr: an den Bau dieser Schöpfungsmaschine, und an das Verschwinden der Incera, bevor sie ihr Werk in Betrieb nehmen konnten. Er sah, wie ihre letzten

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