Kinder der Ewigkeit
so etwas wie Schicksal, beziehungsweise verschiedene Schicksale, bestimmt von Wahrscheinlichkeit. Sie hätten das Leben eines Incera-Experten geführt, wenn meine lenkende Hand nicht gewesen wäre. Offenbar verfügen Sie über ein natürliches Talent.«
»Ihre … lenkende Hand?« Esebian starrte den Unsterblichen groß an.
»Wie auf Mway, auf der die Incera eine Zitadelle bauten. Erinnern Sie sich? Oh, natürlich erinnern Sie sich. Sie waren damals Evan Ten-Ten, beziehungsweise Wyron Wironer von Akal, und haben eine Archäologin namens Sheela getötet, im Auftrag eines Neiders, wie Sie wahrscheinlich vermuteten. In Wirklichkeit kam der Auftrag von mir.«
»Von … Ihnen?«
»Wie auch die meisten anderen, die das Netzwerk Ihnen damals vermittelt hat. Es galt, Ihre Schritte in die richtige Richtung zu lenken. Aber bitte sagen Sie mir: Was hat Ihnen der Synchronisator gezeigt?«
»Die Aufträge kamen … von Ihnen?«, fragte Esebian fassungslos.
»Spielt das jetzt noch eine Rolle? Alle wichtigen Entscheidungen in Ihrem Leben wurden von mir getroffen, mein lieber Esebian. O nein, sie waren kein Werkzeug für mich, auch keine Marionette – es so zu nennen, würde bedeuten, die Dinge aus der falschen Perspektive zu sehen. Es ging vielmehr um die Anpassung von Entwicklungsmustern. Zu schade, dass Sie nie Gelegenheit bekommen werden, den Steingarten in meinem Domizil auf Taschka zu sehen. Die in ihm zum Ausdruck kommenden Metaphern wären vielleicht aufschlussreich für Sie, wenn Sie genug Zeit hätten, sie wirklich zu verstehen. Sie haben Ayanne kennengelernt, weil ich es so wollte. Es entsprach meinem Wunsch, dass Sie nach Dannacker flogen und dort einem gewissen Mandap Justian begegneten. Der Tod der Zwillinge und Ihrer Frau, die Ermordung des Korrektors Justian … Es war der Anfang des Weges, der hier endet, im Großen Synchronisator, mit dem Ihr Schicksal enger verknüpft ist, als Sie gewusst haben.«
Der Gesang des Messers … Esebian hörte ihn wie ein Flüstern aus der Vergangenheit, eine Stimme, die ihn über zwei Jahrhunderte begleitet hatte.
»Aber …«, begann er.
El'Kalentar winkte ab. »Halten wir uns nicht mit den Einzelheiten auf. Wichtig ist, dass kongruente Muster entstanden sind. Verstehen Sie das? Nein, natürlich nicht. In Ihrem derzeitigen Zustand können Sie es nicht verstehen, und ich bezweifle, dass Sie selbst unter den günstigsten Umständen dazu in der Lage wären. Es ist kompliziert, selbst für jemanden wie mich, der mehr als sechstausend Jahre Zeit hatte, sich damit zu beschäftigen.« Er seufzte leise, und die rote Eidechse in seiner Stirn streckte sich. »Bevor wir es zu Ende bringen … Was haben Sie in der Anomalie gesehen? Und was hat Ihnen der Synchronisator gezeigt, als Sie hier eintrafen? Heraus damit, Esebian. Erweisen Sie mir einen letzten Dienst, bevor Sie sterben. Was hat der Incera-Spezialist gesehen, der all die Jahre in Ihnen schlummerte?«
Esebian fragte sich, ob er den Verstand verloren hatte, oder ob die Welt um ihn herum in einen Strudel des Wahnsinns gerissen worden war. »Wovon reden Sie da, verdammt?«
El'Kalentar musterte ihn einige Sekunden, und Esebian fühlte sich auch vom Blick der kupferroten Eidechse in seiner Stirn durchbohrt. Sein Blickfeld verengte sich, der Kopf wurde leicht – Bewusstlosigkeit drohte.
»Schade«, sagte El'Kalentar, und es klang nach echtem Bedauern. »Ich hatte gehofft, Sie wüssten vielleicht etwas, das uns dabei helfen könnte, die beiden Großen Synchronisatoren in Betrieb zu nehmen. Nun, wir sind ohnehin nicht weit davon entfernt.« Er hob den Stift. »Sie sind ein Mörder. Sie haben den Tod verdient.«
Ich bin ein Mörder, weil Sie mich dazu gemacht haben, dachte Esebian, aber es war ein Gedanke am Rande, ein peripherer Faden des wirren Knäuels, in das sich sein Geist verwandelt hatte. Er brauchte nur zu warten, ein oder zwei Sekunden, und dann war es für immer vorbei: die Anstrengungen, genug Meriten zu verdienen für den nächsten Aufstieg; der Jahrzehnte- und jahrhundertelange Wettstreit zwischen Leben und Tod; die Auseinandersetzungen mit den anderen Leben nach der Entscheidung, Esebian zu werden und nicht mehr zu töten; all die Ängste und Hoffnungen, die ihn nicht zur Ruhe kommen ließen … Ein oder zwei Sekunden, und er hatte Ruhe, für immer und ewig. Aber es wäre die Ruhe des Nichts gewesen, ohne Gedanken und Gefühle.
Esebian merkte plötzlich, dass er noch immer das Kombiwerkzeug in der rechten Hand
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