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Kinder der Ewigkeit

Kinder der Ewigkeit

Titel: Kinder der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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und wir haben die ganze Anlage für den Besucherverkehr geschlossen. Magister, ich bedauere die Entführung Ihres Seeders zutiefst und hoffe, dass sie so schnell wie möglich aufgeklärt wird. Meine Beauftragten erwarten Sie beim Transferitor des Orbital-Ports, für den Sie natürlich Priorität haben.«
    »Nein«, sagte Tahlon sofort. Er wollte kein Risiko eingehen. »Wir fliegen mit der Concordia direkt zum Schrein.«
    »Aber …« El'Jarod zögerte kurz. »Selbstverständlich, wie Sie wünschen. Ich werde Sie persönlich in Empfang nehmen.« Er hob den Arm zu einer Geste, mit der er die Verbindung unterbrechen wollte.
    »Haben Sie Kontakt mit El'Farah und El'Coradi, Exzellenz?«, fragte Tahlon schnell.
    El'Jarod zögerte erneut. »Sie befinden sich nicht auf Gondal, wenn Sie das meinen.«
    »Nein, das meine ich nicht, Exzellenz. Wissen Sie, wo sie sich aufhalten?«
    »Nein.«
    »Bitte teilen Sie den anderen Direktoren mit, dass die Präfektur der Hohen Welten für die beiden Exzellenzen El'Farah und El'Coradi eine Arrestverfügung angeordnet hat. Sie haben gegen das Traktat und die Regeln der Magister verstoßen.«
    »Ich bestätige das«, erklang Jaes Stimme. Sie kam sowohl von der Drohne als auch durch den Kommunikationskanal.
    »Zwei Direktoren?« Es war fast ein Stöhnen. »Sie wollen … zwei Direktoren verhaften?«
    »Ich bin der Präfekt der Hohen Welten und Erster Hochkommissar des Direktoriats«, sagte Tahlon. »Ich wache über das Gesetz.« Er nickte, und Ranidi schloss den Kanal.
    Einige Sekunden herrschte Stille. Hinter den Monden flackerte es in Lybeckers Gasmeeren, in denen das rote Auge eines Sturms rotierte, hundertmal so groß wie Gondal.
    »Es sind nur Worte, Präfekt«, flüsterte Esebian. »Nichts als Worte.«

 
59
     
    Die Concordia schwebte einige hundert Meter über ihnen am Himmel von Gondal, wie eine grünblaue Orchidee im doppelten Licht von Lybecker und der Sonne Masako, die im Vergleich mit dem Gasriesen zwergenhaft wirkte und dicht über dem Horizont glühte, eingebettet in den Dunst des Abends. Tahlon schaute nach oben, als die Gravitationsmotoren der Drohne Ranidi, zehn bewaffnete Sicherheitsbeauftragte aus der Crew des Schiffes, Esebian in seinem Stützgerüst und ihn selbst zum Schrein hinabsinken ließen. Nach der Begegnung mit den Biomechs, die Jaes Seeder in einem Sturz des Filigrannetzes entführt hatten, war die Concordia instand gesetzt worden und hatte ihr volles Funktionspotenzial zurückerhalten, aber Tahlon bemerkte einige dunkle Stellen an der Außenhülle, wie Flecken, die die besondere Ästhetik des Schiffes beeinträchtigten. Die Symmetrie der Schönheit, dachte er, ebenso gebrochen wie eine andere Symmetrie. Das zarte Gleichgewicht der Makellosigkeit war gestört, und Tahlon wusste: Wie genau man die Formspeicher in den Außenstrukturen auch kalibrierte, wie sehr Ingenieure, Techniker und Gestaltungsspezialisten auch an dem Schiff arbeiteten – die Perfektion seiner ursprünglichen Schönheit ließ sich nicht wiederherstellen.
    Tahlon überprüfte seine Erweiterungen, die in den Neutralisierungsfeldern der Hohen Welt auf ihre Basisfunktionen beschränkt blieben, und versuchte, alle emotionalen Komponenten aus dem gegenwärtigen mentalen Modus zu entfernen. Es gelang ihm nicht, und als er einen letzten Blick auf die Concordia richtete, glaubte er, irgendwo in der Ferne, im Ballsaal seines Alptraums, das Krachen eines herabstürzenden Kronleuchters zu hören.
    Er senkte den Kopf.
    Unter ihm, auf einem breiten Hochplateau, breitete sich das aus, was man den »Schrein« nannte: eine etwa dreißig Quadratkilometer große Ansammlung von kalkweisen Gebäuden, deren Formspeicher ihnen das Erscheinungsbild von Kuppeln, Pagoden, Domen, Münstern, Kathedralen und Basiliken gaben. Zwischen diesen in eine Aura des Sakralen gehüllten Bauten ragten Türme auf, manche dünn und spitz, andere dick und stumpf. Bogenförmige Brücken überspannten sieben Flüsse, deren Wasser sich in einem zentralen See sammelte und von dort aus über mehrere Felsstufen zu einem breiten Katarakt strömte. Inmitten weißer Gischtwolken stürzte es dort Hunderte von Metern in die Tiefe. Unten gab es einen zweiten See, größer und seichter als der erste; der ableitende Fluss kroch wie eine silberne Schlange durch die Stadt am Fuß des Berges und mündete nach etwa fünfzehn Kilometer ins Meer. Vögel segelten über der Stadt, doch unter ihnen regte sich nichts: Still und stumm lagen Häuser und

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