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Kinder der Ewigkeit

Kinder der Ewigkeit

Titel: Kinder der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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ist.« Esebian wandte sich wieder dem Fenster zu und winkte. Das Gesteninterface reagierte, und das ins Fenster integrierte Zoom holte Covaruvia und den Magister darüber noch etwas näher. »Sie wachsen die ganze Zeit über. Die Stacheln, sie werden länger und dicker, gefüllt mit Quantenkernen, die sich selbst erweitern. Sie wachsen und denken, sie denken pausenlos. An was?« Er hob und senkte die Schultern. »All die Fragen, die den Fragenstellern auf Halechko bisher eingefallen sind und in den nächsten tausend Jahren einfallen werden … Ich vermute, sie würden selbst diesen jungen Magister nur für einige wenige Sekunden beschäftigen. Er und all die anderen … Sie denken über Dinge nach, die sich weit jenseits unseres geistigen Horizonts befinden. Sie kommunizieren über die Filigrane, mit Tausenden von Milliarden Worten in jeder einzelnen Sekunde. Sie sehen komplexe Netze aus Verbindungen dort, wo für uns nur dunkles, inhaltloses Nichts existiert. Welchen Sinn hätte es, in einem solchen Zusammenhang von gerecht oder ungerecht zu sprechen?«
    Aus dem Augenwinkel hatte Esebian die junge Frau beobachtet und nach Reaktionen Ausschau gehalten. Sie sah ihn nur groß ein, und nichts deutete darauf hin, dass sie irgendwelche wichtigen Enthüllungen von ihm erwartete. Konnte Leandra Covitz von Mway – ausgerechnet von Mway – jemand sein, den Tirrhel auf ihn angesetzt hatte? Jemand, der ihn beobachtete und herausfinden sollte, ob er wirklich bereit war, den Auftrag auszuführen? Der misstrauische Kyrill hielt das für möglich.
    »Ihre Rundreise«, sagte Esebian und wechselte damit das Thema. »Sie wollen sich alles ansehen, bevor Sie worüber entscheiden?«
    »Oh.« Leandra blinzelte. »Oh«, sagte sie noch einmal und schien ihre Gedanken zu sortieren. »Wenn ich alles gesehen habe, oder genug … Dann entscheide ich, ob ich selbst eine Kandidatin werden möchte.«
    Diese Worte erstaunten Esebian. Wie konnte in dieser Hinsicht eine Entscheidung nötig sein?
    »Ist es nicht der Wunsch eines jeden lebenden Wesens, für immer zu leben?«
    Leandras glitzernde Lippen formten ein weiteres Lächeln. »Ich bin noch jung genug für das Privileg, nicht genau zu wissen, was ich mir wünsche.« Etwas ernster fügte sie hinzu: »Es gibt auch andere Methoden, das Leben zu verlängern.«
    Ein Signal erklang, wie das Läuten einer Glocke. Die anderen Reisenden, nur fünf in diesem Teil des Wartebereichs, schritten zum Ausgang.
    »Es ist so weit«, sagte Esebian. »Das Filigran öffnet sich für uns.«
    Sie folgten den anderen Reisenden, und als sie den Wartebereich des Ports verließen und durch den Transitschlauch gingen, wuchs die Gruppe auf fast fünfzig Individuen an. Die meisten von ihnen waren Menschen und stammten vermutlich in der Mehrzahl von Covaruvia, Angar und den anderen Planeten des Haredion-Systems. Hinzu kamen ein zierlicher, sehr fragil wirkender Enha-Entalen – eine Mutter, die eine versponnene Larve bei sich trug, immer wieder den Stabkopf reckte und die Flügel in die Nähe des Ungeborenen hielt, um es vor Stößen zu schützen – und ein birnenförmiger Kirgu, der auf zwei Stummelbeinen dahinwankte, dauernd schnaufte und nichts von der Eleganz kirguischer Violinenklänge hatte. Esebian bemerkte, dass Leandra nicht die Fremden beobachtete, obwohl sich nur selten Nichtmenschen nach Mway verirrten. Ihr Blick ging durch die transparenten Wände des Transitschlauchs zum Filigran.
    »Was meinen Sie?«, fragte sie im gleichen unbekümmerten Tonfall, in dem sie ihn angesprochen hatte. »Orchidee oder Rose?«
    Es kommt immer auf die Perspektive an, dachte Esebian, als er nach draußen sah und die wogenden, sich langsam wie Schlangen oder Würmer – ja, Würmer – windenden Energiebahnen im All betrachtete, manche von ihnen hunderttausend Kilometer lang. Diese junge Seele sieht hübsche Blumen dort, wo andere schaudernd den Blick abwenden, weil sie ein Netz sehen, mit einer dicken fetten Spinne in der Mitte. Und was sehe ich? Ein Netz, ja, aus bunten Energiefäden. Aber es ist mehr als nur ein Netz, es ist eine Wucherung, wie ein Geschwür in Raum und Zeit, und die Fäden, vom Weber gesponnen, bohren sich durch die Dimensionen. Sie zapfen die Basis des Universums an, was auch immer das sein mag, den ätherischen Mutterboden, aus dem Dunkle Materie und Dunkle Energie wachsen, und all die anderen Dinge, die das Universum zu einem sehr exotischen Ort machen. Und ein Nebenprodukt der Suche nach diesem ganz

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