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Kinder der Ewigkeit

Kinder der Ewigkeit

Titel: Kinder der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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Implantat hinab. »Ihre Exzellenz El'Farah hat ausdrücklich darauf hingewiesen …«
    »Wo ist Tahlon?«, fragte Esebian scharf. »Ich möchte zu ihm.«
    Der Doyen seufzte leise und erklärte ihm den Weg.
    Esebian eilte durch eine medizinische Abteilung, die keine Krankenstation im üblichen Sinne war – obwohl Erlauchte durchaus krank werden konnten –, sondern vor allem der Forschung diente. Bei einem kurzen Rundgang hatte El'Farah ihm zu verstehen gegeben, dass hier Brainer weiterentwickelt werden sollten, als organische Steuerelemente für die entführten Seeder. Außerdem wurden an diesem Ort Graue behandelt, damit das Bewusstsein der lebenden Toten nicht in Lethargie und Apathie versank.
    Unterwegs begegnete er einigen anderen Ärzten – ausnahmslos Sterbliche, die ihn sehr respektvoll grüßten – und auch mehreren Gardisten, die offenbar gerade eine Behandlung hinter sich hatten. Niemand hielt ihn auf; niemand hinderte ihn daran, den Regenerationsraum zu betreten, in dem Akir Tahlon lag.
    Esebian erinnerte sich daran, ihn schon einmal auf ähnliche Weise gesehen zu haben, im medizinischen Zentrum Lapinta auf Hadadd, nach der Rekonversion. Auch diesmal lag Tahlon in einem tankartigen Behälter, der nackte Leib umgeben von milchigem Nährplasma und angeschlossen an Überwachungsgeräte. Die Augen waren geschlossen, doch unter den Lidern zeigte sich Bewegung. Esebian blickte auf den Mann hinab und fragte sich, wovon jemand träumte, der nicht mehr leben wollte.
    Dann fiel ihm plötzlich etwas ein. Er sah sich um, bemerkte mehrere Fächer in der gegenüberliegenden Wand, öffnete sie und suchte nach der Kleidung, die Tahlon getragen hatte, und nach den Gegenständen aus ihren Taschen. Im letzten und größten Fach, das offenbar Gegenstände enthielt, die recycelt oder beseitigt werden sollten, entdeckte Esebian die Kleidung, die Tahlon unter dem Schutzanzug getragen hatte. Hemd und Hose waren im Bereich der Hüfte verbrannt, und das galt auch für die dortigen Taschen mit den Privatsiegeln – es war kaum mehr etwas von ihnen übrig. Esebian befürchtete schon, dass der Gegenstand, dem seine Suche galt, zerstört worden war, doch dann bemerkte er ein grauschwarzes Objekt, ein unscheinbares Kästchen, das neben einigen anderen Dingen aus Tahlons Besitz ruhte. Konnte es sein, dass niemand bemerkte hatte, worum es sich handelte? Hatten die Ärzte einfach nicht darauf geachtet, weil sie zu sehr darauf konzentriert gewesen waren, den Präfekten am Leben zu erhalten?
    Esebian nahm das Kästchen und drehte es langsam. Noch immer glühte der kleine Indikator und wies darauf hin, dass sich etwas in der Möbiusschleife befand. Warum hatte Tahlon dieses Objekt überhaupt bei sich geführt? Wusste er, dass sich Leandra in der Schleife befand? Esebian überlegte, konnte sich aber nicht daran erinnern, ob er während der Immersion oder später dem Präfekten davon erzählt hatte. Vielleicht war es für Tahlon ein Zeichen des Triumphes gewesen, über den Mann, der die Unsterblichkeit bekommen hatte, obwohl er ein Mörder war – gewissermaßen ein Symbol seines moralischen Sieges.
    »Was haben Sie da?«, ertönte eine Stimme.
    Esebian zuckte nicht zusammen, aber seine Finger schlossen sich kurz fester um das Kästchen. Er drehte den Kopf und sah El'Farah. Lautlos hatte sie die Tür geöffnet und stand dort, nicht unbedingt argwöhnisch, aber wachsam. »Der Arzt hat mir Bescheid gegeben«, fügte sie hinzu.
    »Es ist ein persönlicher Gegenstand. Tahlon hat in mir weggenommen.«
    Die Erlauchte kam näher und betrachtete das Kästchen. »Ein Artefakt der Incera? Und mit einem Zusatz ausgestattet, wie ich sehe.«
    »Ja.« Esebian steckte das Kästchen ein, und El'Farah machte keine Anstalten, ihn daran zu hindern.
    »Wir werden bald damit beginnen, alle bekannten Artefakte der Incera einzusammeln und hierher zu bringen. Aber noch ist es nicht so weit. Erst müssen wir eine Woge durch die Filigrane schicken.«
    Eine Woge, dachte Esebian, und vor seinem inneren Auge tauchte das Bild eines Teichs auf, in den Steine fielen, die Wellen darin erzeugten.
    »Sie gehören nicht hierher, El'Esebian«, sagte El'Farah stattdessen. »Dies ist ein Ort der Sterblichen und des Todes. Kommen Sie.«
    Als sie die medizinische Abteilung verließen, sagte El'Farah: »Haben Sie Ihre Fragen vergessen, El'Esebian? Sie wollten Antworten von El'Kalentar, aber vielleicht nehmen Sie mit mir vorlieb.«
    »Der Schrei«, sagte Esebian und fragte sich,

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