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Kinder der Ewigkeit

Kinder der Ewigkeit

Titel: Kinder der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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schwarz vor seinen Augen.
     
     
    Der Park war zwanzig Quadratkilometer groß, aber es lag Esebian nichts daran, die Arrangements aus Blumen zu erkunden, die angeblich von hundert verschiedenen Welten stammten. Er saß auf einer schlichten Formspeicherbank außerhalb des Therapiezentrums und genoss den warmen Sonnenschein. Im Westen ragten die siebzehn Ringe des warmen Gasriesen Lybecker über die Baumwipfel, von weißen Wolkenfetzen teilweise verschleiert. Fast direkt im Zenit leuchtete ein neuer Mond, nicht rund, sondern wie eine Ansammlung langer, glänzender Stachel: der Magister Jae-al-Escoe-Hoivinio-tan-Mauleon-Caliquire-tan-Nesluzan.
    Esebian nahm die Ruhe des Parks in sich auf und ließ seine Gedanken treiben, bis er nach einer Weile ein Summen hörte. Er hob den Kopf und sah eine Drohne, die sich vom Himmel herabsenkte.
    »Ich grüße Sie, El'Esebian«, sagte der Gesandte des Magisters und verharrte vor der Sitzbank. Der Sonnenschein schuf glitzernde Reflexe auf dem silbernen Oval.
    »Gruß auch Ihnen, Jae. Gibt es Neuigkeiten?«
    »Was Sie betrifft?«, summte die Drohne. »Oder in Hinsicht auf die Incera?«
    »Sowohl als auch.«
    »Das neue Direktoriat hat einstimmig beschlossen, Sie als voll berechtigten Erlauchten zu akzeptieren.«
    Esebian sah kurz zum Eingang des Therapiezentrums und drehte das Gesicht dann wieder in die Sonne. »Ich nehme an, Sie und die Magister haben den Direktoren … gut zugeredet.«
    »Das ist richtig«, summte die Drohne. »Aber die Gründe spielen keine Rolle, El'Esebian. Sie gehören zur Gemeinschaft der Erlauchten. Wie geht es Ihnen, wenn ich fragen darf?«
    Esebian holte tief Luft und ließ den Atem langsam entweichen, erinnerte sich dabei vage an knackende Hornplatten. Wie lange würde es dauern, bis diese Eindrücke endgültig aus ihm wichen? »Es geht mir gut, Jae. Die letzte Behandlung hat mich stabilisiert.«
    »Freut mich, das zu hören. Sie haben große Verdienste erworben. Sie verdienen die Unsterblichkeit.«
    »Obwohl ich ein Mörder bin?«
    Die Drohne antwortete nicht sofort, und Esebian richtete einen neugierigen Blick auf sie. »Sie waren ein Mörder, El'Esebian«, erwiderte der Gesandte des Magisters schließlich. »Inzwischen sind Sie eine andere Person. Was nichts daran ändert, dass Sie Schuld auf sich geladen haben. Damit müssen Sie leben. Bis in alle Ewigkeit.«
    Bis in alle Ewigkeit, dachte Esebian. »Und Sie?«, fragte er dann, obwohl er wusste, dass ein anderes Thema auf sie wartete. »Was ist mit Ihrer Schuld? Haben nicht auch Sie Leben ausgelöscht?«
    »Ich nehme an, damit meinen Sie den Makel und die Menschen der Gemischten Gebiete.« Die Drohne hing völlig reglos da, und ihre Stimme kam aus dem Nichts, ließ sich keiner bestimmten Stelle des silbernen Ovals zuordnen. »Mein anderer Gesandter hat es Ihnen erklärt, bevor er … starb.«
    »Der Finale Evolutionskollaps«, sagte Esebian und dachte an Angar.
    »Ja.«
    »Wie soll es weitergehen? Wollen Sie die Menschen auch in Zukunft mit Ihren Regeln beglücken und den Bewohnern der Gemischten Gebiete die Unsterblichkeit vorenthalten?« Es klang etwas schärfer als beabsichtigt.
    »Der Kontext ist komplex«, antwortete die Drohne nach einer neuerlichen Pause. »Gewisse Dinge sind notwendig, jetzt mehr denn je.«
    Esebian seufzte leise. »Womit wir bei den Incera wären. Haben Sie meine Erinnerungen inzwischen überprüft?«
    »Wir gehen davon aus, dass sie authentisch sind«, sagte die Drohne. »Ihr Selbst wurde tatsächlich für kurze Zeit in einen Incera übertragen.«
    »In Realzeit? Was ich gesehen habe … Die Raumstation zwischen den Galaxien, das Erwachen als Namenloser, der Beginn der langen Reise zu den Kriegermüttern der Incera – geschah es in der Gegenwart? Nicht irgendwann in der Vergangenheit?«
    »Sie haben die Milchstraße gesehen. Wir sind noch damit beschäftigt, die entsprechenden Erinnerungsbilder auszuwerten, die wir bei der Sondierung gewannen. Die Position bestimmter Sterne könnte uns Auskunft über den genauen Zeitpunkt geben. Aber wir nehmen an, dass der Namenlose tatsächlich jetzt unterwegs ist.«
    »Die Erlauchten um El'Kalentar haben mit der Aktivierung der Synchronisatoren ein schlafendes Ungeheuer geweckt«, sagte Esebian.
    »Wir werden uns vorbereiten«, summte die Drohne. »Alle Incera-Artefakte unterliegen nun der Kontrolle der Magister. Wir werden versuchen, mehr herauszufinden.«
    Aus dem Augenwinkel sah Esebian Bewegung im Eingang des nahen Therapiezentrums.

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