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Kinder der Ewigkeit

Kinder der Ewigkeit

Titel: Kinder der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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Esebian. Tirrhel hielt ihn mit einem Gravanker fest, und dagegen konnte er nichts ausrichten. Der Energieaufwand musste enorm sein.
    »Unsterblichkeit für einen gemeinen Mörder?«, erwiderte der Avatar voller Verachtung und schwebte näher. »Haben Sie das wirklich geglaubt?«
    Esebians erweitertes Gehör nahm ein seltsames Geräusch wahr, das aus der Ferne zu kommen schien: ein leises, gedämpftes, wie in die Länge gezogenes Heulen.
    »Wer sind Sie?«, fragte Esebian und wartete darauf, dass sich die Konverterzellen wieder aufluden.
    »Haben Sie das noch nicht herausgefunden? Sie enttäuschen mich, Esebian.« Tirrhel hob erneut die Vari-Waffe. »Jetzt schicke ich Sie dorthin, wo Leute wie Sie hingehören.«
    Esebian gab alles, was er hatte, und das war unglücklicherweise nicht mehr sehr viel. Die Konverterzellen waren für einen kurzen Einsatz vorgesehen, nicht für einen längeren Kampf, und schon gar nicht für die Konfrontation mit einem Gegner, der überlegene Erlauchten-Technik einsetzte und über ein weitaus größeres energetisches Potenzial verfügte. Er feuerte mit den Fingernägelstrahlern, setzte die beiden anderen Individualzerstörer aus seinem Schultermagazin ein und opferte den kleinen Finger der linken Hand – die darin enthaltene Bombe explodierte direkt vor Tirrhel, doch ihre zerstörerische Kraft erreichte ihn überhaupt nicht. Ein dunkler Strudel, der sich dicht neben ihm im »Körper« des energetischen Avatars gebildet hatte, saugte sie auf, zusammen mit den beiden IZs und den weißen Blitzen aus den Fingernägeln. Tirrhels Absorber schluckte alles.
    Müdigkeit erfasste Esebian – ohne den Gravanker hätte er sich vielleicht gar nicht mehr auf den Beinen halten können. Seine Erweiterungen fuhren automatisch herunter, da kaum mehr Energie zur Verfügung stand. Die leeren Konverterzellen zapften erneut die biochemischen Prozesse in Esebians Körper an, um sich aufzuladen, aber auch dort gab es nicht mehr viel zu holen. Erschöpfung breitete sich in ihm aus.
    Er sah in die Mündung der Vari-Waffe.
    Aber Tirrhel schoss nicht. Verwunderung zeigte sich in dem Gesicht aus Pseudomaterie, und die Hand mit der Waffe zitterte. Mit einer Deutlichkeit, die nicht von den Erweiterungen geschaffen wurde, sondern von der Nähe zum Tod, sah Esebian, wie der Zeigefinger den Auslöser zu betätigen versuchte. Er krümmte sich und drückte, doch etwas hinderte ihn am entscheidenden Kontakt.
    Das seltsame Geräusch in der Ferne … Das dumpfe, in die Länge gezogene Heulen schwoll zu einem lauten, fast schrillen Kreischen an, und Esebian begriff, dass er Leandras Schrei hörte.
    Der dunkle Schlund des Absorbers flackerte wie zuvor das Fesselfeld, und die unteren Teile des Avatars zerfaserten, wuchsen in die Länge und verschwanden in der finsteren Spirale. Tirrhel, die Waffe noch immer auf Esebian gerichtet, starrte überrascht an sich hinab.
    Die unsichtbare Faust des Gravankers ließ Esebian los, und die Beine gaben unter ihm nach. Er versuchte, wieder auf die Beine zu kommen, aber sein schwacher Leib weigerte sich. Mühsam drehte er den Kopf und beobachtete, wie die Vari-Waffe aus der Pseudomaterie-Hand rutschte, einen halben Meter fiel und dann im dunklen Strudel des Absorbers verschwand. Tirrhel verzog das Gesicht, richtete einen letzten, kalten Blick auf Esebian und griff mit der Hand an die Brust des Avatars. Es blitzte kurz – ein Noder , dachte Esebians Subpersönlichkeit Yrthmo –, und Tirrhel verschwand.
    Für zwei oder drei Sekunden schwebte Esebians Selbst in herrlicher, unwirklicher Ruhe, und dann schrie Caleb: Auf die Beine, Mann! Die Observanten sind gleich da! Du hast einen Unsterblichen getötet. Willst du dich dafür zur Verantwortung ziehen lassen?
    Leandras Gesicht erschien über ihm.
    »Esebian! Was ist hier los? Wer war der Mann, der Avatar? Warum wollte er …«
    Bei den letzten Worten wurde ihre Stimme immer leiser. Das Zimmer um sie herum, der Rest der Welt … Alles schien zu verblassen und ebenso unwirklich zu werden wie das Gefühl der Ruhe, dem Esebian sich eben hingegeben hatte. Und dann konnte er ein an den Rändern leicht verschwommenes, aber trotzdem klar erkennbares Bild wahrnehmen: Mehrere große Gestalten in uniformartiger Kleidung, ausgerüstet mit intelligenten externen Erweiterungen und begleitet von gleich zwei summenden Magisterdrohnen, betraten das Zimmer.
    Die Männer und Frauen schritten umher, untersuchten die Trümmer mit ihren Sensoren, dokumentierten Spuren

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