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Kinder der Ewigkeit

Kinder der Ewigkeit

Titel: Kinder der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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Erweiterungen hätte an seiner Stelle nicht die geringste Chance gehabt und wäre im Feuer der Vari-Waffe verdampft. Aber Esebian, der mehr als hundertfünfzig Jahre seines Lebens als Auftragsmörder verbracht hatte, verfügte über inkorporierte autonome Notprogramme, die selbständig auf bestimmte Situationen reagieren konnten, auch ohne bewusste Steuerung. Diese Programme gehörten zu seinen permanenten Erinnerungen, die er nie auslagerte. Sie wurden jetzt aktiv und versetzten Esebian in die Lage, sich mit der vollen Kapazität seiner defensiven und offensiven Erweiterungen zur Wehr zu setzen.
    Innerhalb des Fesselfelds bildete sich ein Reflektor, gespeist von der Energie der zwölf Konverterzellen in seinen Eingeweiden – sie nutzten die biochemische Energie seines eigenen Körpers und konnten auch die energetischen Emissionen im Umkreis von maximal fünf Metern anzapfen. Der Reflektor lenkte den fingerdicken violetten Strahl aus der Vari-Waffe ebenso ab wie den ihn begleitenden Schwarm aus Tausenden von Nanoprojektilen, jedes einzelne von ihnen eine Zellbombe, die tödliche Gewebeschäden verursachen konnte – Tirrhel wollte offenbar auf Nummer sicher gehen.
    Während Esebian sich noch fragte, was geschah, kochte der abgelenkte Energiestrahl über den Nährtank, in dem Akir Tahlons Kopie herangewachsen war und der noch einen Rest Proteinbrei enthielt. Er traf die Konsole daneben, deren Summen kurz zu einem wie erschrocken klingenden Fauchen wurde, bevor ihre Anzeigen erloschen. Funken schwirrten wie feurige Insekten umher, und ein Element des lokalen Formspeichers schien in Mitleidenschaft gezogen zu werden, denn die Einrichtung des Zimmers veränderte sich; Stühle und Tische verformten sich wie von unsichtbaren Händen geknetet.
    Eine Sekunde war vergangen, und Zorn verdrängte Esebians Verwirrung, als aus dem Reflektor ein energetischer Parasit wurde, der Energie aus dem Fesselfeld saugte, sich hindurchbohrte und seine Struktur schwächte.
    Esebian konnte die Finger bewegen, und das genügte zunächst. Die Fingernägel verloren ihre Konsistenz, und aus einem von ihnen zuckte ein weißer Blitz durch die von den Augen anvisierte Lücke im Fesselfeld – Esebians Blick wurde zu einer Art Fadenkreuz, das sich auf die Stirn des Mannes vor ihm richtete.
    Es gab auch kaum ein anderes Ziel, denn von Tirrhel waren nur der Kopf und ein Arm präsent, und nicht einmal in Fleisch und Blut, sondern in Form von Pseudomaterie; der Rest machte keinen Hehl daraus, ein energetischer Avatar zu sein.
    Erlauchten-Technik, dachte Esebian. Er ist direkt mit dem Transferitor dieses Villenkomplexes verbunden. Auf diese Weise gelangte er ins sichere Zimmer.
    Er schnellte hoch und warf sich nach vorn, durch die breiter werdende Lücke in den flimmernden und flackernden Resten des Fesselfelds. In der rechten Schulter bildete sich eine Öffnung, und ein von den defensiven Erweiterungen programmierter Individualzerstörer sprang Tirrhel entgegen. Der auf einer kleinen roten Flamme reitende IZ schlug ins linke Auge des Kopfes und explodierte.
    Esebian lief bereits zur Tür, machte mit der linken Hand die Öffnen-Geste, streckte die rechte nach hinten und schickte einige weitere weiße Blitze nach dem Mann, der ihn töten wollte.
    Die Tür schwang auf, und die Villa sagte: »Ich stelle große Schäden fest, verursacht durch die Anwendung von Gewalt. Die Observanten von Appaia sind verständigt. Bitte warten Sie bis zu ihrem Eintreffen.«
    Etwas packte Esebian von hinten, und zwar genau in dem Augenblick, als er die Frau sah. Sie stand nur wenige Meter vor der jetzt offenen Tür des sicheren Zimmers: einen Kopf kleiner als er, schmal und zierlich, die Haut glatt, das Haar silberblond, die großen grünen Augen weit aufgerissen. Leandra. Sie hatte den Mund geöffnet und schrie, aber seltsamerweise hörte Esebian den Schrei nicht. Vielleicht lag es an dem Krachen hinter ihm, als Variform-Möbel platzten und eine ganze Wand auseinanderbrach.
    Er konnte nur einen kurzen Blick auf Leandra werfen, gerade genug, um ihren lautlosen Schrei zu sehen, denn das Etwas, das ihn von hinten gepackt hatte, riss ihn herum. Tirrhels Kopf, eben vom Individualzerstörer zerrissen, hatte sich aus der Energie des Avatars rekonstruiert.
    »Sie haben Ihren Lohn noch nicht in Empfang genommen«, sagte er spöttisch, als wären die jüngsten Ereignisse nichts weiter als ein kleines, unbedeutendes Intermezzo.
    »Sie haben mir Unsterblichkeit versprochen«, zischte

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