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Kinder der Ewigkeit

Kinder der Ewigkeit

Titel: Kinder der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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mehr, und mit den anderen stand es kaum besser. An den Konverterzellen schien es nicht zu liegen, obwohl sie nur wenig Energie enthielten.
    »Ich bin fast blind und taub«, brachte er mit rauer Stimme hervor, setzte sich auf und stellte fest, dass er auf einer dünnen Decke gelegen hatte, die aus nichtsynthetischem, haarartigem Material bestand. »Meine Erweiterungen«, fügte er hinzu, als er Leandras Sorge bemerkte. »Sie funktionieren nicht.«
    »Erweiterungen?«, wiederholte Leandra. »Oh, ich verstehe. Ich habe davon gehört.«
    Esebian hatte einen Unsterblichen ermordet, und der Auftraggeber hatte seinerseits versucht, ihn zu töten. Aber in diesem seltsamen Moment galt seine ganze Aufmerksamkeit der jungen Frau, die angeblich von Mway stammte und von Erweiterungen gehört hatte. Gab es tatsächlich Menschen, die keine in sich trugen und mit begrenzter Wahrnehmung durchs Leben schritten? Alles an dieser jungen Frau erschien ihm plötzlich absurd und verdächtig, auch sein Verhalten ihr gegenüber. Zorn stieg in ihm auf, ohne dass er Einfluss auf seinen mentalen Modus nehmen konnte. Er war schwach, aber stärker als die zierlich gebaute Leandra, obwohl ihm ein Arm fehlte. Mit der rechten Hand packte er die junge Frau und zog sie näher, ganz in den Schein der chemischen Lampe.
    »Schluss damit!«, stieß er hervor. »Hör auf mit diesem Theater! Ich will wissen, wer du bist und was du in der Villa gemacht hast!«
    Sie versuchte nicht, sich zu befreien. Sie verzichtete ganz auf Gegenwehr und fragte mit einer Stimme, die anders klang als sonst: »Und was hast du in der Villa gemacht? Wieso wollte dich der Avatar-Mann töten?« Und dann, nur eine halbe Sekunde später, sagte sie: »Du hast den Erlauchten umgebracht, nicht wahr? Du warst es.«
    Esebian antwortete nicht. Ihre grünen Augen … Er fühlte sich auf sonderbare Weise von ihrem Blick berührt, an einer Stelle mitten in seinem Kopf, und ohne die Erweiterungen konnte er sich nicht davor schützen.
    »Ich habe es gesehen, im Versammlungszentrum«, sagte Leandra. »Und ich sehe es auch jetzt, in deinen Erinnerungen. Du hast El'Kalentar getötet.«
    »Verschwinde aus meinen Gedanken!«
    »Warum schreist du mich so an?« Leandras Stimme veränderte sich, klang fast wie die eines Kinds. »Warum bist du so böse? Ich meine, ich habe dir das Leben gerettet!«
    »Was?«
    »Der beschädigte Transferitor … Er hat uns mitten in die Wüste gebracht, und dir ging es sehr schlecht. Du warst verletzt und hast geblutet … Wir hatten nichts zu essen und zu trinken, und ich habe dich in den Schatten eines Felsens gezogen, und dann bin ich losgegangen, um Wasser zu suchen. Manchmal finde ich Dinge, weißt du. Wenn ich will. Wenn es wichtig ist. Ich habe Wasser gefunden, und diese Leute hier, die Xiri. Ich konnte ihr Zirpen nicht verstehen, aber einer von ihnen kennt zum Glück einige Worte unserer Sprache, und ich konnte mich ihm verständlich machen und die Xiri zu dir führen, und sie haben dich hierher gebracht …«
    Sie sprach zum Schluss immer schneller und brach plötzlich ab, saß stumm da und rieb sich die Arme. Esebian starrte sie an und erinnerte sich gar nicht daran, sie losgelassen zu haben.
    »Ich kann mir denken, wie du dich ihm verständlich gemacht hast«, sagte er. »Du hast ihm eingeflüstert, was du von ihm wolltest, hast seine Gedanken manipuliert. So hast du es auch bei mir gemacht, stimmt's? Und du warst verdammt geschickt dabei; normalerweise hätten meine Erweiterungen solche Manipulationsversuche bemerkt. Bei unserer ersten Begegnung hast du damit begonnen, im Wartebereich des Filigranports im Haredion-System. Vielleicht hast du sogar den Transittraum dazu genutzt; wer weiß, wozu Leute wie du fähig sind?«
    Esebian suchte in seinen Erinnerungen, fand aber nur Allgemeines. Einzelheiten enthielten vermutlich seine im Archiv von Oxnam hinterlegten Aufzeichnungen sowie einige der externen Gedächtnis-Backups, die er hier und dort an sicheren Orten aufbewahrte.
    Leandra hatte den Kopf gesenkt.
    »Du bist eine Mentalistin, nicht wahr? Und woher kommst du wirklich? Nicht von Mway, oder?«
    Sie streckte die Hand nach ihm aus, und der Wunsch entstand in ihm, sie nicht weiter mit Fragen zu bedrängen.
    »Hör auf damit!«, zischte er. »Ich will die Wahrheit wissen!«
    Leandra sank zurück, und für einige Sekunden blickte sie in die Dunkelheit der Höhle, in der sie sich befanden, als erhoffte sie sich Hilfe von den Schatten und Schemen, die sich

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