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Kinder der Ewigkeit

Kinder der Ewigkeit

Titel: Kinder der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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Tirrhel von ›wir‹ gesprochen. Warum sollten sich Unsterbliche gegenseitig umbringen wollen?«
    »Was du ›Auftrag‹ nennst, Esebian, ist Erpressung«, warf Gunder sanft ein. »Später haben wir noch Zeit genug, uns über die Hintergründe und Zusammenhänge Gedanken zu machen. Derzeit lautet die Frage, ob wir uns von Tirrhel erpressen lassen.«
    »Wie sähe die Alternative aus?«, fragte der neugierige Dorotheri.
    »Wir könnten versuchen, dem Mistkerl eine Falle zu stellen«, schlug Kyrill vor, und seine Miene verfinsterte sich ein wenig. »Wir gehen zum Schein auf ihn ein, warten eine günstige Gelegenheit ab und erledigen ihn.«
    »Einen Erlauchten, dem überlegene Technik zur Verfügung steht?«, erwiderte Evan Ten-Ten. »Und der eine solche Möglichkeit vermutlich in Erwägung gezogen und sich abgesichert hat?«
    »Wir nehmen den Auftrag an«, sagte Caleb. Es klang nicht nach einer Meinung, sondern nach einer getroffenen Entscheidung.
    »Sollen wir uns einfach so zu einem Werkzeug machen lassen?«, fragte Kyrill entgeistert.
    »Wir benutzen diesen Tirrhel als unser Werkzeug«, sagte Caleb mit Nachdruck. »Ich habe bereits darauf hingewiesen: Dies ist eine Chance. Esebian, bei allem Respekt: Mir scheint, du hast bei deinen Forschungen in Hinsicht auf den Finalen Evolutionskollaps keine sonderlich großen Fortschritte erzielt. Ohne einen Durchbruch wäre sogar der Aufstieg zum Residenten infrage gestellt, und wir wissen alle, dass bis dahin nicht mehr viel Zeit bleibt. Tirrhel hat versprochen, uns als Gegenleistung zur Unsterblichkeit zu verhelfen. Und für den Fall, dass er es sich anders überlegen sollte: Wir sammeln Beweismaterial, wo wir können, und wir deponieren Kopien an sicheren Orten. Selbst Erlauchte müssen sich an die Regeln halten, und wenn wir beweisen können, dass Tirrhel gegen sie verstoßen hat, schreiten die Magister gegen ihn ein.«
    »Magister gegen einen Unsterblichen? Mir ist kein solcher Fall bekannt«, sagte Dorotheri und wechselte einen Blick mit Esebian.
    »Uns bleibt keine Wahl«, betonte Caleb noch einmal, und erneut sah Esebian grimmige Zufriedenheit in seinen grauen Augen. Er selbst teilte sie nicht. Gunder und er, sie litten am meisten unter dem, was ihre Hände getan hatten. »Wir müssen uns dem Unvermeidlichen fügen und versuchen, es zu unserem Vorteil zu nutzen.«
    »Dieser Auftrag ist anders als alle anderen«, sagte Esebian. »Es ging nie zuvor um einen Unsterblichen.«
    »Wir schaffen es«, sagte Caleb.
    »Eine Herausforderung …«, murmelte Dorotheri.
    »Die Hohen Welten rücken in greifbare Nähe«, betonte Caleb. »Der letzte Auftrag, anschließend gehört uns die Ewigkeit.«
    »Ich fürchte, wir wissen nicht, worauf wir uns einlassen«, erwiderte Esebian. Er fühlte, dass die Entscheidung tatsächlich getroffen war. Zuvor hatte er es in Calebs Worten gehört, und jetzt fühlte er es in seinem Innern: Die anderen Teile von ihm glaubten, dass Caleb Recht hatte, dass ihnen wirklich keine Wahl blieb.
    Auch wenn Unsterblichkeit am Ende des Weges wartete – das Leben des Wissenschaftlers Esebian ging hier und jetzt zu Ende, und damit eine Hoffnung. Der Mörder kehrte zurück. Wir töten, um zu leben, ewig zu leben, dachte Esebian, begegnete Gunders Blick und begriff, dass es seine Worte hätten sein können.
    Die Gesichter der starken Persönlichkeiten in den Wandsegmenten verloren ihre Konturen – die der schwachen fehlten bereits. Esebian zog die Hände vom Interface, schloss die Augen und wartete darauf, dass Caleb übernahm.
     
     
    Als Esebian die Lider wieder hob, war er noch immer er selbst. Stille umgab ihn, die leeren Wände eines Raums, der Ausblick bot auf eine Welt, die ihm nach zwanzig Jahren plötzlich fremd erschien. Angar, die Experimentalseen, mit denen er so große Hoffnungen verknüpft hatte … Aus irgendeinem Grund maßen die Magister Forschungen in Hinsicht auf das FEK-Syndrom große Bedeutung bei, und er hatte vor zwanzig Jahren geglaubt, mit den in Aussicht gestellten Meriten den Sprung zum Residenten und damit zur letzten Kandidatenstufe schaffen zu können.
    Vor dem linken Auge blinkte ein Indikatorlicht in dringlichem Gelb. Esebian schob die Frage beiseite, warum er, ein zwanzig Jahre junges Leben, die Kontrolle über all die älteren Persönlichkeiten hatte, und aktivierte mit einem Wink das Gesteninterface. Die Stimme des Hauses erklang.
    »Forschungsleiter Rell hat eine wichtige Mitteilung für dich, Esebian.«
    »Ich höre.«
    Vor ihm

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