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Kinder der Ewigkeit

Kinder der Ewigkeit

Titel: Kinder der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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Persönlichkeit.
    Die einzige Ausnahme bildete das Gesicht ganz auf der linken Seite, auf Höhe der Interface-Konsole. Normalerweise blieb es bei solchen Begegnungen ein Schemen oder erschien gar nicht, aber diesmal zeigte es fast die gleiche Deutlichkeit wie Caleb und Gunder. Es war nicht das Gesicht eines Mannes, sondern das einer Frau: Talanna. Damals, kurz vor dem Aufstieg zum Provisor, hatte er das erste und einzige Mal in seinem Leben das Geschlecht gewechselt, um einen besonderen Auftrag zu erledigen. Nur einige wenige Jahre hatte er als Frau verbracht und dabei einige für seine männlichen Persönlichkeiten sehr eigenartige Erfahrungen gesammelt. Es wunderte Esebian, dass Talanna hier zu den dominanten Identitäten zählte. Sie erwiderte seinen Blick, und ihre Lippen deuteten ein Lächeln an.
    »Warum sollte sich dieser Tirrhel die Mühe machen, uns eine Falle zu stellen, wenn er uns schon jetzt bei den Magistern und Erlauchten denunzieren kann?«, wandte sich Dorotheri an Kyrill.
    »Was weiß ich«, lautete dessen brummige Antwort. »Ich rate zu Vorsicht. Wir dürfen keine Möglichkeit außer Acht lassen. Bist du ganz sicher, dass uns Herax hier nicht belauschen kann, Esebian?«
    »Ja.«
    »Ein Avatar«, sagte Yrthmo. »Caleb, Esebian … Ihr hattet Recht. Tatsächlich ein Avatar. Ein sehr außergewöhnlicher.«
    Alle Blicke richteten sich auf ihn.
    »Ich habe mir die Aufzeichnungen noch einmal angesehen«, fuhr Yrthmo fort. Vor der Konsole, damit es alle sehen konnten, entstand ein Bild, das den Anlegesteg zeigte, kurz bevor Esebian dem Fremden nach draußen gefolgt war. Eine menschliche Gestalt verließ das große Gebäude einige hundert Meter über See Nummer Vierzehn, etwa fünfzig Scheinjahre alt. Seine Kleidung schien zu flackern, als sich die halb biologischen Polymere der veränderten Umgebung anpassten.
    »Unsichtbarkeit?«, murmelte Dorotheri.
    »Tarnung?«, entfuhr es Kyrill. »Ist Tirrhel vielleicht noch hier?«
    … und dann verschwand der Mann einfach.
    »Aber …«, begann Esebian.
    »Warte«, sagte Yrthmo. Datenkolonnen erschienen rechts und links von der Stelle, an der der Fremde eben noch gestanden hatte. Ein anderer Esebian, in der Tür erstarrt, bewegte sich langsam rückwärts und hielt dann erneut inne.
    »Seht genau hin«, sagte Yrthmo. »Beobachtet nicht die Gestalt, sondern den Bereich unmittelbar vor ihr, soweit er sichtbar ist.« Er schien aus seinem Wandsegment herauszuwachsen und deutete mit einem Indikatorlicht auf etwas, das wie der Hauch eines Flecks vor Tirrhel aussah. Ein dünnes, fadenartiges Gebilde verband ihn mit dem Gesicht des Fremden.
    »Eine Transferanomalie, im sichtbaren Spektrum nicht zu erkennen«, erklärte Yrthmo und klang zufrieden. »Man muss wissen, wonach es zu suchen gilt.«
    »Und du hast es gewusst«, sagte Esebian. Gemeinsame Erinnerungen stiegen auf.
    »El'Laurin«, sagte Talanna.
    Esebian nickte ihr zu. »Der Erlauchte, dem wir auf Magrabia begegnet sind. Er hätte unsere Mission damals fast vereitelt.«
    Caleb und die anderen wirkten plötzlich sehr nachdenklich. Yrthmo nickte. »Genau. Bei ihm habe ich damals Signale gemessen, mit denen ich zunächst nichts anfangen konnte. In einer späteren Analyse stellte sich heraus, dass sie von einem Transferitor stammten, der ohne externen Noder auskommt.« Er gab den anderen einige Sekunden Zeit, über seine Worte nachzudenken, und fügte dann hinzu: »Tirrhel hat deshalb keine DNS-Spuren zurückgelassen, weil nicht eine einzige lebende Zelle von ihm in deinem Haus weilte, Esebian. Er kam und ging als energetischer Avatar. Ein Teil von ihm kondensierte zu Pseudomaterie, und als sie das Gebäude verließ, bildete die Restenergie ein Transferfeld. Derartige Technik ist allein auf den Hohen Welten verfügbar.«
    »Nicht genug, dass wir einen Unsterblichen umbringen sollen …«, brummte der junge Evan Ten-Ten. »Du hast Besuch von einem Erlauchten erhalten, Esebian.«
    »Könnte El'Laurin dahinterstecken?«, fragte Kyrill. »Vielleicht hat er uns damals auf Magrabia durchschaut.«
    »Das liegt mehr als hundertfünfzig Jahre zurück«, sagte Dorotheri.
    »Was sind hundertfünfzig Jahre für einen Unsterblichen?«, kommentierte Talanna. »Nicht mehr als ein Tropfen im Ozean der Zeit.«
    »Ich habe zunächst angenommen, dass der Auftrag von einem Aufsteiger stammt, vielleicht von einem hohen Kandidaten«, sagte Esebian. »Aber wenn er auf einen Erlauchten oder mehrere von ihnen zurückgeht … immerhin hat

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