Kinder der Nacht
entlang, über eine Wiese, wie es schien, und dann auf zwei Fahrrinnen entlang, die an einem Fluß verliefen. Kate hörte Frösche und Insekten in der Dunkelheit unter den Bäumen, und einen Augenblick konnte sie sich vorstellen, daß der Sommer kam, nicht ging.
Der Dacia hielt unter den Bäumen auf einem breiten Schotterstreifen am Ufer und Lucian machte den Motor aus. Zweihundert Meter links von ihnen erhellten die Scheinwerfer einer Militärstraßensperre die Nacht.
»Sie halten Autos auch auf der einspurigen Brücke an«, flüsterte Lucian. Vor ihren Augen näherte sich eine Limousine der Barriere, Taschenlampen wurden eingeschaltet, Kate konnte die Helme der Soldaten glänzen sehen, als diese zu dem Auto gingen, es überprüften, salutierten und es passieren ließen.
»Wir hätten den Mercedes nehmen sollen«, flüsterte sie.
Lucian grinste. »Klar, wir sehen auch so strigoimäßig aus, oder nicht? Haben Sie Ihre Ausweispapiere dabei?«
Kate sah auf die Uhr. Vier Stunden für zwanzig Meilen. »Was jetzt?«
Lucian deutete auf den Fluß. Dieser war hier mindestens dreißig Meter breit, machte aber einen seichten Eindruck. Gespiegeltes Licht der fernen Scheinwerfer funkelte auf zahllosen Wellen.
»Wir können ihn hier unmöglich überqueren, ohne daß sie uns sehen oder hören«, zischte Kate. »Gibt es keine andere Stelle? Weiter von der Straße entfernt?«
Lucian zuckte die Achseln. »Ich kenne keine. Hierher haben die Einheimischen den Verkehr umgeleitet, wenn die Brücke fortgespült war.« Er sah nach links. »Hören Sie ihre Musik? Jemand in einem der Laster hat das Radio eingeschaltet.«
»Ja, aber sie müssen nur hier herschauen.«
Lucian kurbelte das Fenster hinunter und beugte sich hinaus. »Die Bäume verbergen hier fast den ganzen Weg. In Ufernähe ist es fast dunkel.« Er drehte sich zu Kate um. »Ihre Entscheidung, Kate.«
Sie zögerte nur einen Augenblick. »Fahr.«
Lucian ließ das Auto an. Der Vierzylindermotor hörte sich für Kate wie ein Flugzeugmotor an. Lucian legte den ersten Gang ein und tastete sich bis zum Fluß vor. Innerhalb von Sekunden reichte das Wasser bis zu den Radkappen, dann zum unteren Rand der Tür, dann schwappte es über die Stoßstange. Der Dacia schaukelte und schwankte.
»Wir lecken Wasser«, flüsterte Kate und hob die Füße vom nassen Boden. Lucian hatte eine Hand am Lenkrad, die andere am Schalthebel und fuhr Schrittempo weiter.
Plötzlich kippte das rechte Vorderrad, etwas stieß heftig gegen die Unterseite des Autos, und der Motor wurde abgewürgt. Sie standen mitten im Fluß, das Wasser schwappte halb bis an die Fenster, und sie bemühten sich, nicht laut zu atmen.
Die Musik von den beiden Militärlastern hatte einen lauten Zigeunerrhythmus. Lucian zog den Choke und griff nach dem Zündschlüssel.
»Nein!« sagte Kate und hielt seine Hand fest, als er den Schlüssel gerade herumdrehen wollte.
Eine Limousine war zu der Straßensperre gefahren. Die Musik verstummte. In der plötzlichen Stille konnten sie die Fragen der drei Soldaten und sogar die leisen Antworten aus dem Wagen hören. Der Strahl eines der Scheinwerfer auf einem Lastwagen schwankte, glitt von dem Mercedes herab und leuchtete über den Fluß. Einen Augenblick später fuhr die Limousine weiter, die Scheinwerfer wurden tiefer gerichtet und die Musik fing wieder an.
Lucian drehte den Zündschlüssel herum.
Bitte, lieber Gott, flehte Kate zu einem Gott, an den sie nie richtig geglaubt hatte, bitte laß nicht zu, daß die Spule oder die Zündkerzen oder etwas anderes, das Tom mir immer erklären wollte, naß oder kaputt ist. Amen.
Der Dacia sprang an. Lucian rollte vorsichtig hin und her, befreite das Rad aus dem Loch und fuhr weiter zum gegenüberliegenden Ufer. Kate spürte, wie ihre Haut und die Muskeln sich langsam wieder entkrampften, als sie eine halbe Meile auf dem ausgefahrenen Feldweg zurückgelegt hatten und die Straßensperre hinter Bäumen und dem Hügel nicht mehr sehen konnten. Sie hatte nicht gewußt, daß der Körper förmlich auf den Einschlag von Kugeln warten konnte.
»Okay«, hauchte Lucian, als er den Dacia wieder auf die schmale Straße steuerte. »Ich habe keine Ahnung, was wir machen, wenn wir nach Curtea de Argeş kommen, aber, he ... Improvisieren heißt die Devise, richtig?«
Sie umgingen Curtea de Argeş und zwei Straßensperren, die sie in der Ferne sehen konnten, indem sie auf der Eisenbahnlinie, die an der Westseite des Argeş verlief, nach Norden
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