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Kinder der Nacht

Kinder der Nacht

Titel: Kinder der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Trojan-Klinik, daß das Kind gesund ist. Und selbstverständlich das schriftliche Einverständnis von einem oder beiden leiblichen Elternteilen.«
    »Gottverdammt«, sagte Kate und beugte sich so schnell nach vorn, daß Mr. Crawley beinahe von seinem Stuhl gefallen wäre, auf dem er verkehrt herum saß. »Erstens, ich will es zum zehntenmal wiederholen: Es existieren keine Unterlagen über die leiblichen Eltern des Kindes, weder von der Mutter noch vom Vater. Überhaupt keine Unterlagen. Er wurde ausgesetzt. Verlassen. Dem sicheren Tod überlassen. Nicht einmal das Waisenhaus in Tîrgovişte besitzt Unterlagen darüber, wer ihn gebracht hat. Zweitens, daß Kind ist nicht gesund - das ist ja ein Grund, weshalb ich es mit in die Staaten nehmen will. Das alles habe ich schon fünfzehnmal erklärt. Aber er hat keine ansteckende Krankheit. Kein Hepatitis B. Kein AIDS. Überhaupt nichts Ansteckendes. Soweit wir das feststellen können, hat das Kind eine Immunschwäche, die mit ziemlicher Sicherheit genetisch bedingt ist und mit ebenso großer Wahrscheinlichkeit tödlich ausgehen wird, wenn Sie mir nicht gestatten, ihn irgendwohin zu bringen, wo ich ihm helfen kann.«
    Der Mann von der Botschaft nickte, schürzte wieder die Lippen, klopfte mit einem Bleistift auf den Schreibtisch, nickte dem rangniederen Botschaftsangestellten zu, verschränkte die Arme und sagte: »Nun, Mrs. Neuman, wir würden Ihnen wirklich gerne helfen, aber es wäre mindestens ein Monat Zeit erforderlich, den notwendigen Papierkram für ein ... äh ... ungewöhnliches Kind wie dieses zu bearbeiten, und aller Wahrscheinlichkeit nach würde der Antrag auf Erstellen eines Einreisevisums sowieso ohne schriftliches Einverständnis der leiblichen Mutter des Kindes und ein Gesundheitszertifikat von der Trojan-Klinik abgelehnt werden. Haben Sie einmal überlegt, ein gesundes Kind zu adoptieren?«
    Man hätte Kates Schrei draußen auf der Straße hören können. Wenn sie sich erlaubt hätte zu schreien.
    Ein Wachmann von den Marinern begleitete sie zur Tür der Botschaft, als sie im Wartezimmer den Mutant-Hero-Priesteranzug erblickte, eine schwarze Silhouette im Tohuwabohu amerikanischer Sommerpastellfarben und rumänischer Grautöne.
    »O'Rourke!«
    Der Priester drehte sich um, wollte lächeln, sah ihr Gesicht und kam rasch durch den überfüllten Raum zu ihr herüber. Sie winkte den Wachmann weg, und der Mariner zögerte nur einen Augenblick, bevor er ihren Arm losließ. Pater O'Rourke führte sie zu einem Stuhl in am wenigsten überfüllten Teil des Raumes und wischte einen Stapel Zeitungen für sie herunter, damit sie sich setzen konnte. Sie schrie fast seinen Namen heraus, als er sich umdrehte und wieder wegging, aber er kehrte schon einen Augenblick später mit einem Pappbecher voll kühlen Wassers zurück. Kate trank es dankbar.
    »Was ist los, Neuman?« Seine Stimme war sanft. Der Blick seiner grauen Augen wich nicht von ihrem Gesicht.
    Sie erzählte ihm alles, und schon während der Schilderung fragte sich ein unbeteiligter Teil ihres Verstandes: Ist es so bei der Beichte? Ist dies das Gefühl, das einem die Religion bringt ... daß man sämtliche Probleme auf jemanden anderen abwälzen kann? Sie glaubte es nicht.
    Als sie fertig war, nickte O'Rourke einmal. »Und Sie sind sich ganz sicher, daß die Rumänen die Ausreise des Kindes gestatten, wenn es soweit ist, auch wenn die Amerikaner es nicht tun?«
    Kate nickte nachdrücklich. Als sie nach unten sah, stellte sie überrascht fest, daß sie den Pappbecher immer noch mit beiden Händen umklammert hielt.
    »Und wieviel Bakschisch?« fragte er. »Ich meine den rumänischen Beamten.«
    Kate runzelte die Stirn. »Gar keines. Ich meine, ich hatte damit gerechnet ... ich war davon ausgegangen, daß ich fünf- bis sechstausend amerikanische Dollar bezahlen müßte ...aber nichts dergleichen. Mr. Stancu ... der Mann im Ministerium ... hat nie danach gefragt, und ich habe nicht ... keines.«
    Pater O'Rourke überlegte einen Moment und verdaute diese Neuigkeit. Sie konnte die Zweifel in seinen Augen sehen.
    Kate zog einen Stapel Dokumente aus der Handtasche. »Sie waren heute morgen fertig, O'Rourke. Sehen Sie. Lucian sagt, sie sind offiziell und vollständig. Ich habe versucht, sie den Leuten hier zu zeigen ... unseren Leuten, aber diese dummen Arschlöcher geilen sich derart an ihren beschissenen Vorschriften auf, daß ...«
    »Schon gut, Neuman. Schon gut.« Die Hand des Priesters legte sich sanft, aber

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