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Kinder der Nacht

Kinder der Nacht

Titel: Kinder der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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während die arglosen Narren die Messe besuchten. Ich hatte das Pfählen als Bestrafung nicht erfunden - mein eigener Vater hatte gelegentlich davon Gebrauch gemacht -, aber von diesem Tage an war ich als Vlad Ţepeş bekannt, als ›Vlad der Pfähler‹. Der Titel miß fiel mir nicht. Während sich die älteren Bojaren nebst Frauen noch auf den Pfählen wanden, marschierte ich mit den Leibestüchtigen durch die Menge zu meiner Burg am Fluß Argeş, rund fünfzig Meilen entfernt. Die Schwächsten überlebten den dreitägigen Fußmar sch ohne Verpflegung nicht, aber ich hatte auch keine Verwendung für die Schwächsten. Die Überlebenden - die Starken - zog ich heran, um Schloß Dracula wieder aufzubauen.
    Das Schloß war schon damals alt und verlassen, die Türme eingestürzt, die große Mauer verfallen. Ich hatte es im Verlauf meiner Flucht vor dem Sultan und Hunyadi gefunden und dort Zuflucht gesucht, und eben dort hatte ich beschlossen, es als Schloß Dracula wieder aufzubauen, als meinen Horst und meine letzte Zuflucht.
    Die Lage war perfekt - hoch auf einem entlegenen Kamm über dem Argeş, dessen tiefe Kluft sich von der Walachei durch die Făgăraş-Berge bis in den Süden von Transsilvanien erstreckte. Eine einzige Straße verlief entlang des Argeş - schmal, selbst in der mildesten J ahreszeit gefährlich, und gut zu verteidigen, sobald das Schloß wieder aufgebaut sein würde. Kein Feind, weder Türke noch Christ, konnte sich Schloß Dracula nähern, ohne daß ich es lange vorher erfuhr.
    Aber zuerst mußte es neu aufgebaut werden.
    Ich hatte eine Ziegelei am Flußufer errichten lassen, und die Steine dieser Ziegelei wurden in einer Kette bojarischer Sklaven von Mann zu Mann (oder von Frau zu Frau) den Berg hinaufgereicht. Die dortigen Dorfbewohner staunten nicht schlecht, als sie diese Sklaven sahen, die immer noch die Fetzen ihrer bojarischen Osterfesttagskleidung trugen.
    Ich leitete auf dem Rücken meines Pferdes den Wiederaufbau dieser uralten serbischen Ruine. Die fünf Türme wurden neu erbaut, zwei davon beherrschten den höchsten Punkt des Kammes, die drei anderen lagen etwas tiefer am Nordhang. Die dicken Mauern wurden mit Steinen und Felsen doppelt so stark gemacht, damit sie auch dem schwersten türkischen Bombardement trotzen konnten. Die Mauern waren hoch, fünfundzwanzig Meter und mehr, und sie wuchsen aus dem Felsgestein selbst, so daß es sich um eine steile, dreihundert Meter hohe Mauer zu handeln schien. Die zentralen Innenhöfe und Laubengänge beschränkten sich auf den Raum zwischen den großen Türmen und auf die unebene Fläche des Kammes selbst, der an seiner breitesten Stelle nicht einmal dreißig Meter breit war. Eine gewaltige irdene Rampe erstreckte sich aus der südlichen Felswand, von dieser Rampe bildete eine Holzbrücke den einzigen Zugang zu dem Bollwerk. Der Mittelteil dieser Brücke war stets hochgezogen und dergestalt entworfen, daß man es nicht nur senken konnte, um Zutritt zu gewähren, sondern auch, um es, indem man nur zwei Kabel durchtrennte, in den Abgrund darunter stürzen zu lassen.
    Im Mittelpunkt von Schloß Dracula ließ ich d ie wenigen überlebenden Bojarensklaven den Brunnen so tief graben, daß er sich mehr als dreihundert Meter tief durch solides Felsgestein bis zu einem unterirdischen Nebenfluß des Argeş erstreckte. Dieser unterirdische Fluß hatte seine eigenen Höhlen in den Berg gefressen, und ich befahl den Bau eines Fluchtwegs von diesem Brunnen zu den Höhlen, die sich dreihundert Meter tiefer zum Argeş hin öffneten. Man hat mir gesagt, daß die Einheimischen diese Höhlen am Fluß bis auf den heutigen Tag als pivnita oder ›Keller‹ bezeichnen. Mit seinen Fluchtwegen und tiefen Kerkern, seinen Höhlen und unterirdischen Folterkammern besitzt Schloß Dracula wahrhaftig seinen ›Keller‹.
    Einige wenige Bojaren überlebten die viermonatige Bauzeit meines neuen Heims. Ich ließ sie in einer Reihe auf den Felsklippen über dem Dorf pfählen.
     
    Im Sommer des Jahres 1457 überquerte ich die Karpaten am Paß Bran. Hunyadi war in Belgrad in einen erbitterten Kampf mit den Türken verstrickt, aber ich hatte andere Rechnungen zu begleichen. Auf den Eb enen bei Tîrgovişte griff ich die im Rückzug befindliche Armee von Wladislaw II. an, dem Mörder meines Vaters. Ich besiegte ihn im Kampf Mann gegen Mann. Als er mich um Gnade bat, stieß ich ihm die Spitze meines Kurzschwerts durch den Unterkiefer ins Gehirn und zum Schädel wieder hinaus. Den

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