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Kinder des Donners

Kinder des Donners

Titel: Kinder des Donners Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Brunner
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Während der nächsten beiden Tage hatte er
keinen Gedanken für Claudias Sache übrig.
    Leider verkaufte sich der zweite Schweine-Artikel nicht.
    Genausowenig wie die anderen, auf die er so große
Hoffnungen gesetzt hatte.
    Während seine Stimmung immer trüber wurde, tauchte in ihm die Frage auf, ob er vielleicht auf der
Schwarzen Liste stand. Natürlich hatte er keine Beweise dafür, aber nachdem so viele heiße Geschichten abge- schmettert worden waren ...
    Vielleicht war es ganz gut, daß er sich keine harten Getränke mehr leisten konnte.
    Während sie die Hand nach einem Aufnahmeformular ausstreckte, ohne aufzublicken, fragte die Nachtschwe- ster in der Aufnahmestation des Krankenhauses mit müder Stimme: »Barzahler oder Sozialfall?«
    Soweit war das einst vorbildliche System des Staatli- chen Gesundheitswesens heruntergekommen.
    Von der Eingangshalle gingen die Flure in Form eines
T ab. Der nach links war erheblich sauberer als der nach rechts und längst nicht so schäbig, mit Teppichen am
Boden anstatt Vinyl, das von den Schritten unzähliger Füße matt geworden war. Der mittlere war kaum be- leuchtet; es gab ein paar Neonröhren, doch die meisten davon waren dunkel.
    Dann, durch ein Schluchzen aufgeweckt, hob die
Aufnahmeschwester den Kopf und bemerkte, daß Cry- stal zwischen zwei weiblichen Uniformen stand, die Hände auf dem Rücken mit Handschellen gefesselt.
    »Ach so«, sagte sie und streckte den Daumen aus, um mit einer Bewegung die Richtung anzudeuten: hinter mir. »Kriminelle dort!«
    Der schummerige dritte Flur war voller Schreien und Stöhnen.
    Als ihr Tränenstrom versiegt war, empfand Crystal nur noch Wut auf sich selbst. Ich hätte mehr Verstand haben müssen! lch hätte mehr Verstand haben müssen!
    Doch wie hätte sie voraussehen können, daß ein Frei- er sie beschuldigen würde, sie angesteckt zu haben, und zwar nicht etwa mit AIDS, sondern mit Syphilis? Und, obwohl keiner den Namen des anderen kannte (sie be- nutzte im Umgang mit ihren Kunden erfundene Namen und wechselte diese täglich), daß er der Polizei ermögli- chen würde, sie aufzuspüren, weil er Computer-Grafi- ker war und mit einem fast makellosen Abbild von ihr auf der Wache erschien?
    Und — dabei wurde sie von einem erneuten Schluch- zen geschüttelt — daß die Bullen sie ausgerechnet wäh-
    rend der Zeit aufgreifen würden, in der sie vorüberge- hend der Macht, »die Seelen der Menschen zu bene- beln« beraubt war?
    Ihr gefiel dieser Ausdruck; sie verdankte ihn einem Kunden, der sie sechs- oder achtmal aufgesucht hatte und mit ihr ebenso gern über die Launen und Vorlieben
seiner Teenagerjahre reden wollte, wie ihm an der ande- ren Sache lag. Er hatte ihr die Schmuckstücke seiner wertvollen Sammlung alter Comic-Hefte gezeigt, und in einem davon ...
    Aber das war Vergangenheit, und jetzt war sie hier, mürrisch jede Antwort verweigernd und zuhörend, wie sie statt von ihr selbst von der derben Polizistin gegeben wurden, und mit haßerfüllten Augen ihre Umgebung betrachtend: gesprungene Fliesen am Boden und an den
Wänden, eine Reihe schmuddeliger Stühle, eine Tür mit einem vergitterten Fenster, dessen Scheibe mit überkreuz- ten Klebebändern zusammengehalten wurde ... Außer mit Schreien war dieser Bereich angefüllt mit Gestank.
    »... und er ist bereit zu schwören, daß er seit über drei Monaten mit niemand anderem Verkehr gehabt hat, außer mit ihr, so daß nur sie es sein kann, die ihn angesteckt hat.«
    »Gut« — in gelangweiltem Ton. »Ich werde gleich mal eine Blutprobe nehmen. Unsere automatische Wasser- mann funktioniert ausnahmsweise. Sie haben den Be- weis, bevor sie vor Gericht kommt.«
    »Vors Jugendgericht.«
    »Ach herrje! Das ist heutzutage so schwer zu erken- nen. Als ich jung war, sahen die Kinder wie Kinder aus ... hat sie einen geschickten Anwalt an der Hand, der sie freibekommt?«
    Die Polizistinnen tauschten erst Blicke, dann ein Grinsen aus. Die ältere der beiden sagte: »Damit fangen wir gar nicht erst an — hm?«
    »Ganz meine Meinung. Wann ist sie eigentlich dran im Verhandlungssaal?«
    Eine der Polizistinnen drückte die Tasten eines am Gürtel getragenen Computers und übertrug das Ergeb- nis in ihren Sender. Nach wenigen Sekunden ertönte
die Antwort in einer unangenehmen synthetischen Stimme. Sie war im Plan des Jugendrichters für morgen früh gegen zehn eingetragen.
    »Dann holen Sie sie also gegen neun ab.« Crystal hat- te nicht einmal hingesehen, wer jetzt sprach; sie

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