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Kinder des Donners

Kinder des Donners

Titel: Kinder des Donners Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Brunner
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dauert in den Abrufspeicher übertragen worden war, ließ er sich auf seinem Bildschirm alle Da- ten mit gemäßigter Geschwindigkeit abspulen. Bis jetzt hatte noch keins der Schlüsselworte, die er für diese spezielle Konfiguration gewählt hatte, ein Piepen oder
Einfrieren ausgelöst. Doch als er gerade die Hand aus- streckte, um den Befehl WIPE einzugeben, weil es nur
    noch um persönliche Mitteilungen ging, geschah genau das.
    Er blinzelte. Was, um alles in der Welt...? Oh! Plötz- lich, da, in dem ganzen Wust von Pseudonymen, er- schien ein Name, den die Maschine erkannte — und er auch.
    Jedenfalls undeutlich. Einen Augenblick lang war
»Claudia Morris« so fremd wie der Name der Frau, die
mit ihm Interface-Kontakt begehrte, und er hatte keinen blassen Schimmer, warum er ihn auf seine Bildschirm- post-Liste gesetzt hatte. Dann dämmerte eine Erinne- rung herauf.
    Ja. Natürlich. Diese Konferenz damals in New York, als ich noch für Continuum arbeitete. Ich habe mich eine Weile mit ihr an der Bar unterhalten. Zweifellos hat sie mir irgendeinen Anhaltspunkt gegeben, der mich veranlaßte, ihre Spur nicht
verlieren zu wollen. Aber warum?
    Er war drauf und dran, den Code für den Zugriff aufs Who is Who in American Science einzugeben, da er sich davon am meisten Auftrieb für sein Gedächtnis ver- sprach, da stieß er seinen Stuhl zurück und schnipste mit den Fingern. Herr im Himmel! Wie konnte er ver- gessen haben, daß Dr. Claudia Morris die Autorin war von Die gefährlichste Kern-Kraft: Verbrechen und traditio- nelle Kernfamilie? Sie hatte sein Exemplar sogar signiert!
    Das Buch hatte einen Skandal ausgelöst, damals vor — drei Jahren? Nein, eher vor vier. Es war kurz vor dem Zeitpunkt herausgekommen, als Continuum zu dem wurde, was seine Mitarbeiter mit einer Art Galgenhu- mor Discontinuum nannten. Wenn die Serie noch weiter- hin gelaufen wäre, dann hätte sich ein Beitrag bestimmt mit Dr. Morris und ihren radikalen, doch in großem Umfang belegten Ansichten beschäftigt. Auf den we- sentlichen Nenner gebracht, bestand ihre Behauptung darin, daß die unaufhaltsam ansteigende Zahl von Ver- brechen in der westlichen Welt vor allem in dem Bemü- hen begründet lag, die Struktur der Kernfamilie auf-
    rechtzuerhalten, ein System, das Kinder hervorbrachte und erzog, die den Bedürfnissen der Gesellschaft nicht mehr entsprachen. Ihre Empfehlung ging dahin, eine Generation mit zehn, zwanzig oder fünfzig >Eltern< auf- zuziehen, denen die Kinder jeweils die gleiche Loyalität entgegenbrachten; dann hätten die jungen Leute nicht mehr das Bedürfnis, aus reiner Willkür auf eine unper- sönliche Menge von anonymen, autoritären Fremden
einzudreschen.
    Nun, auch in dieser Zeit, in der eine >Sensation< nach ei- nem Tag überholt und nach drei Tagen vergessen ist...
    Er las noch einmal die Mitteilung, die sie eingegeben hatte:
    claumor/claudia morris/befinde mich bis auf weite- res IN LONDON ENGLAND STUDIENAUFENTHALT ZUR DURCH- führung einer forschungsarbeit anfragen nach gb- adresse und code bitte an biosoc: info nur auf dieser ta- fel!
    Und das Datum ihrer Ankunft war eingefügt: das heutige!
    Gut. Gut. Gut!
    Die Chancen waren ausgezeichnet, daß er der erste Wissenschaftsjournalist in England war, der diese Mit- teilung entdeckt hatte. Eins der wenigen Dinge, an die er sich im Zusammenhang mit Dr. Morris erinnerte, war
ihre Ablehnung jeglicher Publicity; die Hälfte der Zeit, während derer sie sich unterhalten hatten, hatte sie da- mit zugebracht, sich spöttisch darüber auszulassen, welche Ignoranten die Rezensenten ihres Buches sein mußten, die es so wohlwollend besprochen hatten, daß es sich immerhin eine Woche lang auf der Bestsellerliste der New York Times behaupten konnte.
    Die Spur zu ihr würde also am ehesten über ihren
Verlag führen. Und er kannte mehrere Leute, die auf dem gleichen Gebiet arbeiteten und mit denen sie mit
    Sicherheit Kontakt aufnehmen würde. Er machte sich gleich daran, die Nummern zu prüfen und zu vervoll-
ständigen.
    Das dauerte bis lange nach Mitternacht, obwohl seine Liste immerhin auf dem Stand von vor zwei Jahren war; dann endlich hatte er das Gefühl, aufhören und sich ent- spannen zu können, zufrieden darüber, daß von nun an überall, wo Claudia Morris beschloß sich zu melden, in
dem Moment, in dem ihr Name an irgendeinem Telefon ihres Verlages oder eines Bekannten, von dem er die Nummer hatte, er oder eines der Geräte, auf die er ge- gen Bezahlung Zugriff hatte,

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