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Kinder des Donners

Kinder des Donners

Titel: Kinder des Donners Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Brunner
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konnte.
    Und in diesem Moment hörte ich auf, Angst zu ha- ben. In diesem Moment wußte ich nicht mehr, wer ich
bin. Denn Angst zu haben entsprach mehr dem Ich, an das ich gewöhnt war. Aber ...
    Aber plötzlich hatte ich keine Angst mehr. Ich war wütend. Ich war ...
    Na schön. Das klingt vielleicht ein bißchen aufge- setzt, wie etwas, das ich in einem Buch gelesen habe, aber ich weiß nicht, wie ich es treffender ausdrücken soll. Ich war plötzlich besessen, und zwar von einem eis- kalten Zorn, der mir eine genaue Anweisung gab, was ich zu tun hatte. Ich spürte, daß ich lächelte, als er die Hand nach mir ausstreckte, und anstatt seine Hände
    wegzustoßen, reichte ich ihm die meinen, verhakte mei- ne kleinen Finger mit seinen großen. Das überraschte
ihn lange genug, daß ich Gelegenheit hatte zu sagen: »Ich bin noch Jungfrau, weißt du. Ich bin noch keine dreizehn Jahre alt.«
    Er blinzelte sich Wasser aus den Augen; Wasser tropfte aus den spärlichen Haaren auf seinem Kopf. Dann grinste er wieder.
    »Du kannst mir nichts vormachen! Ich weiß über eure
Schule Bescheid. Ich weiß, was ihr dort treibt! Splitterfa- sernackt lauft ihr herum, Jungen wie Mädchen!«
    Langsam lockte ich ihn zurück ins flache Wasser, so daß meine Brüste über der Wasseroberfläche erschie- nen, was seine Kameraden zu einem erneuten Ausdruck des Jubels hinriß. Seine Augen saugten sich gierig daran fest. Im nächsten Moment wäre es wahrscheinlich sein Mund gewesen. Doch das war nicht der Sinn der Sache. Ich sagte — und legte in meinen Ton etwas Schmei- chelndes und Verführerisches: »Okay. Aber ...«
    »Was aber?«
    »Ich möchte, daß du da unten mit dem Mund zu mir hinkommst. Weißt du, was ich meine?«
    »Was glaubt du denn, was ich bin, verdammt? 'ne Jungfrau wie du? 'türlich weiß ich, was du meinst.«
    »Dann mach's«, sagte ich. »Und wenn ich auf die Art gekommen bin, dann mach ich's bei dir, bis du kommst.«
    Sein Grinsen wurde gewaltig breit; er spannte die rot- gefleckten Backen, bis ich dachte, er renkte sich die Mundmuskulatur aus — und dann tat er genau das, was ich ihm gesagt hatte.
    Dreißig Zentimeter unter der Wasseroberfläche.
    Es war, als ob er völlig vergessen hätte, daß er das Zeug nicht atmen konnte. Ich spürte seine dicke Zunge auf meinem Bauch, dann um meine Schamhaare herum, dann zwischen ihnen. Und dann, als ich sicher war, daß
er die Luft nicht länger anhalten konnte, kam er einfach
    nicht mehr hoch. Er bewegte sich nicht mehr, und plötz- lich trieb er weg, vollkommen schlaff, wie eine nasse Lumpenpuppe.
    Ab diesem Moment verwischten sich die Dinge. Das nächste, an was ich mich erinnere, ist, daß ich zum Ufer stolperte, meine Kleider und Bücher packte und zum
Schulgebäude rannte. Einmal blickte ich mich um, und
von ihm war nichts zu sehen. Als man ihn von der Strö-
mung angetrieben an der Palisade fand — immer noch unter Wasser — war er tot.
    Natürlich fanden Untersuchungen statt. Ich erklärte, daß es mir nichts ausmachte, als Zeugin vernommen zu werden, und stellte mich der Ermittlungsbeamtin be-
reitwillig zur Verfügung, um ihre Fragen so ruhig, wie
ich konnte, zu beantworten; ich sagte, ich wüßte Be- scheid über Vergewaltigung und so und schätzte mich glücklich, daß ich meinem Schicksal, wenn auch auf so entsetzliche Weise entronnen sei, obwohl ich große Angst ausgestanden hätte. Die Ermittlungsbeamtin war
gleichzeitig Frauenärztin. Sie gratulierte mir, weil ich unbeschadet davongekommen war. Der Pathologe, der die Obduktion vornahm, erklärte, daß der Tod durch Er- trinken eingetreten sei, daß er aber außerdem bei dem Typen eine Herzschwäche festgestellt habe, obwohl er zu einer militärischen Spezialeinheit gehört habe und eigentlich in bester Verfassung hätte sein müssen. Die Jury sprach in ihrem Urteil von einer Verkettung un- glücklicher Umstände. Die Lokalzeitungen schrieben, daß es dem Unhold recht geschehen sei — oder etwas in
diesem Sinne —, und riefen nach einer ganz neuen Be- urteilung der Erziehungsmethoden von Mappleby mit der Begründung, daß sie Schülerinnen von noch nicht einmal dreizehn Jahren mit der richtigen Aufklärung
wappnete, falls sie von einem potentiellen Vergewalti- ger angegriffen wurden. Ich weiß nicht, ob Sie sich noch daran erinnern, doch während der vergangenen paar
    Monate waren ein halbes Dutzend Mädchen vergewal- tigt und umgebracht worden.
    Woraufhin natürlich auch meine Mum und mein Dad
— meine Dads,

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