Kinder des Donners
muß ich sagen, denn bei der Verhand- lung trat auch Doug auf den Plan — und die Lehrer und die Angestellten der Schule und alle sagten, daß ich großartig und wundervoll gewesen sei, und die anderen Kinder sagten das auch, und auf einmal wollten ganz
viele ganz eng mit mir befreundet sein.
Doch mit wem wollen sie befreundet sein? Ich weiß es nicht! Ich kann nicht mehr glauben, daß ich weiterhin ich bin! Verstehen Sie, ich habe im Angesicht der Öffent- lichkeit einen Mord begangen. All die anderen Kinder ha- ben zugeschaut, wie ich es beschrieben habe — fünf
oder sechs waren es, mußten es mindestens gewesen sein. Und ich bin damit durchgekommen!
Ich glaube, ich will gar nicht mehr ich sein!
Wenn man mich wieder mal belästigt, werde ich das gleiche noch mal tun, befürchte ich. Ich bin dazu fähig. Ich weiß, daß ich dazu fähig bin.
Ich wll es nicht. Verstehen Sie mich? Ich will es nicht!
Bitte, helft mir! Irgend jemand. Bitte helft mir ...
Hier ist TV-Plus. Es folgen die Nachrichten.
Eine Gruppe amerikanischer Terroristen, eine der soge- nannten >Rambo-Schwadronen<, hat sich zu dem Bom- benanschlag bekannt, der das Hauptbüro der westdeutschen Partei >Die Grünen< zerstört hat. Soweit bis jetzt bekannt ist, kamen dabei acht Menschen ums Leben, und neun weitere mußten verletzt ins Krankenhaus eingeliefert werden.
Hier in Großbritannien wurden vier Personen — ihren ei-
genen Angaben zufolge Anhänger von General Thrower - ge- gen Kaution auf freien Fuß gesetzt, nachdem sie Brandan- schläge auf Geschäfte mit chinesischen oder pakistanischen Besitzern verübt hatten. Bei ihrer Vernehmung sagte der Richter, daß Patriotismus seine Grenzen habe, woraufhin Ru- fe aus dem Zuschauerraum des Verhandlungssaals ...
Peter Levins Auftritt bei TV-Plus mit dem Sprecher der Regierung hatte sein Leben verändert.
Vor allem war er umgezogen, in einen Wohnblock, der auf einem ehemaligen Schulhof erbaut worden war, nachdem die Emigration aus dem Stadtgebiet Londons
seine Einwohnerzahl dramatisch gesenkt hatte — und sich die Probleme mit Drogen und Kriminalität in Pro- vinzstädte verlagert hatte, die bis dahin verhältnismä- ßig friedlich gewesen waren. Er hatte nach wie vor nur eine Dreizimmerwohnung, doch die einzelnen Räume
waren größer, und anstatt in einer Mansarde wohnte er jetzt zur ebenen Erde und in einer besseren Gegend. Die Küche war dreimal so groß wie seine alte, und das Bad prunkte mit einer echten Wanne. Außerdem hatte er einen Parkplatz weg von der Straße. Er konnte sich zwar immer noch kein Auto leisten, aber es bestand die Aussicht, daß ihm TV-Plus demnächst einen Firmenwa- gen zur Verfügung stellen würde.
Natürlich war der Preis wahnwitzig, doch nichts ver- glichen mit dem, was die Leute in Manhattan oder Tokio zahlten. Also sagte er gleich im ersten Moment, als er die Wohnung besichtigt hatte: »Ich nehme sie!« Und
zog auf der Stelle ein, um Hausbesetzern zuvorzukom- men.
Nachdem die Umzugsleute gegangen waren, goß er sich einen Schluck Scotch ein und summte eine fröhliche Melodie vor sich hin, obwohl der Abend für die Jahres- zeit viel zu kalt und zu naß war. Offenbar hatte der Herbst beschlossen, Großbritannien in diesem Jahr vor- zeitig heimzusuchen. Nachdem er seine Compu- teranlage überprüft hatte, um zu sehen, ob alles richtig angeschlossen war, tippte er einen Bildschirmpost-Code ein, und zwar den von Harry Shay in Kalifornien, bei dem er sich schon seit ewigen Zeiten hatte melden wol- len. Selbst wenn die Menschen dort noch nicht aus dem
Bett waren, so konnte er immerhin eine Nachricht hin-
terlassen.
Was?
Der Bildschirm informierte ihn blinkend: code unbe- kannt.
Hatte er sich bei der Nummer vertippt? Er versuchte
es noch mal, langsamer, mit dem gleichen Ergebnis.
Professionelle Neugier verursachte ihm ein Prickeln im Nacken. Er setzte sein Glas ab, ließ sich auf seinen Arbeitsstuhl plumpsen und versuchte es mit der einzi- gen anderen Adresse, die er sonst noch von Harry hatte, nämlich die seiner Firma Shaytronix, bei der zumindest ein Gerät in Betrieb sein müßte.
CODE UNBEKANNT.
»Das ist ja lächerlich!« schimpfte Peter laut. Er erin- nerte sich an Harry Shay aus seiner Anfangszeit bei Continuum. Der Knabe war einer der erfolgreichsten Software-Unternehmer — selbst zwar kein Compu- terfachmann, doch ein Meister im Vermitteln von Kon- takten zwischen Experten, die vorhandene Systeme ver- änderten Bedürfnissen anpassen konnten, und den
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