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Kinder des Feuers

Kinder des Feuers

Titel: Kinder des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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klein, der Markttag zu Ende – und dennoch setzten Mathilda die vielen Gesichter zu. Seit Jahren hatte sie nicht so viele Menschen an einem Ort gesehen, die unbekümmert lachten und stritten und tranken und brüllten und auf das Leben fluchten, um sich dann wieder an ihm zu erfreuen.
    Sie hockte sich in den Staub und barg ihren Kopf zwischen den Knien.
    Gegen Abend trat die fremde Frau auf sie zu und musterte sie lange. »Esperlenq ist ein guter Mann«, sagte sie unvermittelt.
    Mathilda blickte hoch. »Ihm gehören die Mühlen, die die Andelle säumen, nicht wahr? Wie komme ich zum Fluss? Und wie von dort nach Pˆıtres?«
    »Esperlenq macht den Bauern, die bei ihm ihr Getreide mahlen lassen, gute Preise.«
    Das verriet immer noch nicht den Weg zu ihm, aber Mathilda lauschte den Worten doch erleichtert. Dann hatte Sprota es wohl gut getroffen, ihn zu heiraten.
    »Komm mit mir mit«, sagte die Frau.
    Mathildas Hoffnung, nun schnell nach Pˆıtres zu kommen, erfüllte sich bald. Nachdem ihr Mann, der fahrende Händler, gestorben war, hatte die Frau einen Bauern geheiratet, dessen Hof, klein und armselig, wie er war, dem von Pancras und Ingeltrude glich. Nur ging es lauter zu, da sich fünf Söhne um ein karges Abendbrot stritten. Sie warfen Mathilda neugierige Blicke zu, wurden aber von der Mutter rasch zum Schweigen gebracht. Nach dem Mahl, von dem sich Mathilda kaum zu nehmen wagte, um die Gastfreundschaft nicht zu sehr zu beanspruchen, wurde ihr ein Schlafplatz in der Nähe des Herds zugewiesen. Am nächsten Morgen erklärte die Frau, dass zwei der Söhne aufbrechen würden, um Saatgut zu kaufen. Sie könne sie begleiten und nach der ersten Wegstrecke die Abbiegung Richtung Pˆıtres nehmen.
    Fern der Mutter begafften die beiden jungen Burschen Mathilda wieder aufdringlich, doch auch wenn sie sich darob unwohl fühlte – sie traten ihr beide nicht zu nahe und erwiesen sich als so wortkarg wie ihre Eltern. Zuerst gingen sie auf einer breiten Straße, später nahmen sie Schleichwege. Nach zwei Tagen begannen Mathildas Füße zu schmerzen, und es kamen neue Wunden und Blasen zu den kaum verheilten, aber die Aprilsonne vertrieb die Kälte aus ihren Gliedern und die dunklen Gefühle aus ihrem Herzen. Sie würde es schaffen, zu Sprota zu gelangen, sie würde dort in Sicherheit sein. Selbst auf dem letzten Teil der Wegstrecke, den sie allein zurücklegte, konnte sie ihre Ängste bannen – erneut auf den Frühling setzend, in dessen warmem Licht kein finsterer Räuber über sie herfallen würde. Tief in ihrem Innern wusste sie natürlich, dass Schandtaten in einer bunten Welt ebenso begangen wurden wie in einer grauen, aber mit jedem Schritt, der sie näher ans Ziel führte, bekräftigte sie die Lüge, es wäre anders.
    Als Mathilda Pˆıtres erreichte, sank plötzlich ihr Mut. Es war schon Abend, der Ort schien zu schlafen, sämtliche Häuser waren verschlossen. Niemand war zu sehen, den sie danach fragen konnte, wo Esperlenq wohnte. Allerdings ahnte sie, dass sein Haus das größte war – und aus Stein errichtet.
    Als Einziges lag dieses nicht im Dunkeln, und seine Bewohner schienen auch nicht zu schlafen. Fackeln brannten im Hof, Pferde waren dort angebunden. Reiter kamen, von sichtlicher Eile getrieben, denn sie sprangen von ihren Tieren, kaum dass diese anhielten, und blickten über Mathilda hinweg. Sie alle betraten das Haus durch ein schmales Tor, und obwohl es hinter ihnen rasch wieder geschlossen wurde, trat auch Mathilda darauf zu und klopfte.
    Es dauerte eine Weile, bis ihr geöffnet wurde, zu ihrem Erstaunen von einem Krieger, wie sie ihn vom Hofe Wilhelms kannte – mit Lederwams, Schwert am Gürtel und einem bronzenen Helm.
    »Was willst du hier?«, herrschte er sie an. »Wenn du etwas zu essen haben willst, komm morgen früh wieder.«
    So verwirrt sie ihn musterte und sich fragte, warum Esperlenq sein Haus von einem derart Bewaffneten schützen ließ, so abfällig glitt sein Blick über ihren Körper. Erst nach einer Weile ging ihr auf, dass er sie mit ihrer armseligen verschmutzten, geflickten Kutte für eine Bettlerin hielt.
    »Ich … ich will nichts zu essen. Ich will zu Sprota. Ich kenne sie gut.«
    »Das kann jede sagen.«
    Er straffte seinen Rücken, als wolle er sich größer machen, obwohl er sie ohnehin um vieles überragte. In einer anderen Lage hätte es sie eingeschüchtert, doch sie hatte zu viele Auszehrungen überstanden und Hindernisse überwunden, um klein beizugeben.
    »Ich bin eine

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